Bewegt von Gottes Liebe für die Menschen.
Die Evangelischen Täufergemeinden entstanden aus einer erwecklichen Bewegung im 19. Jahrhundert. Die persönliche Heilserfahrung und deren Umsetzung im Alltag stehen im Vordergrund. Wichtig ist den Evangelischen Täufergemeinden das Priestertum aller Gläubigen und somit die freiwillige Mitarbeit der Mitglieder.
Untenstehend finden Sie einen Abriss der Geschichte des Bundes ETG.
Einen noch umfassenderen Einblick über die Geschichte der Evangelischen Täufergemeinden erhalten Sie im Buch: Missionarische Gemeinde werden: Der Weg der Evangelischen Täufergemeinden von Bernhard Ott. Ein persönliches Exemplar können sie ganz einfach über unser Sekretariat bestellen – schreiben eine Mail an: wm(at)swiss-online.ch
Im 19. Jahrhundert brach in manchen Teilen Europas eine geistliche Erneuerung auf, die man rückblickend die Erweckungsbewegung nennt. Samuel Heinrich Fröhlich, ein reformierter Pfarrer aus dem Kanton Aargau, war einer jener Erweckungsprediger. Er war in den 1830 Jahren Pfarrverweser in Leutwil (AG). Aufgrund seiner erwecklichen Verkündigung kam es aber zum Bruch mit der Landeskirche. In Leutwil entstand in der Folge 1832 die erste freikirchliche Gemeinschaft unter der Leitung Fröhlichs.
In seinem Kopf und Herz waren Ansichten über Christsein und Kirche gewachsen, die dem alten Täufertum ganz ähnlich waren: Menschen sollten zur Umkehr und zum persönlichen Glauben gerufen werden. Wer glaubt und es in freier Entscheidung wünscht, soll getauft werden. Die Gemeinde soll aus glaubenden und getauften Menschen bestehen und vom Staat unabhängig sein.
So suchte Fröhlich Kontakt mit den Alttäufern (Mennoniten) im Emmental. Dort wurde er offen aufgenommen und förderte mit seiner Verkündigung den erwecklichen Geist, der sich dort bereits breit machte.
In der Folge kam es aber nicht zu einer festen Verbindung von Fröhlich mit den Alttäufern. Seine missionarische Tätigkeit verlagerte sich in den Kanton Zürich und in die Ostschweiz, später auch ins Elsass, nach Baden und Württemberg. Fröhlich verstand sich aber hinfort immer als Täufer. Die von ihm gegründeten freikirchlichen Gemeinschaften nannte er „Evangelisch Taufgesinnte“.
In der Emmentaler Alttäufergemeinde gärte es aber nach Fröhlichs Abreise. Die erweckliche Gruppe drängte auf eine umfassende Erneuerung der alten Täufergemeinde. Schliesslich kam es soweit, dass ein Teil der Mitglieder der Langnauer Alttäufergemeinde auf Gibel ob Bärau eine neue Täufergemeinde gründete. Das geschah 1834. Seither gibt es im Emmental die Alttäufergemeinde und die sogenannte Neutäufergemeinde.
Die von Fröhlich begründete freikirchliche Bewegung entwickelte sich in der Folge zu einem Netzwerk von Gemeinschaften in der Schweiz, im Elsass und in Deutschland, später auch in Osteuropa und Nordamerika.
Die neutäuferische Bewegung blieb vor manchen Irrwegen nicht verschont. Gesetzlichkeit und Absonderung führten diese kleine Freikirche in zunehmende Isolierung von den anderen Kirchen und Gemeinschaften. Dazu kamen interne Konflikte, die schliesslich kurz nach 1900 zu einer weiteren Trennung führten. Daraus hervor ging eine konservative, separatistische Richtung, sowie eine sich zunehmend öffnende, evangelische Freikirche.
Die geschlossene Gruppe trägt heute noch den Nahmen „Evangelisch Taufgesinnte“. Sie pflegt keinen Kontakt zu anderen Kirchen und lebt ihren Glauben nach strikten Regeln in Abgeschiedenheit.
Die Gemeinden der offenen Richtung haben sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer evangelischen Freikirche entwickelt, die Rahmen des Evangelischen Allianz und des Verbandes Evangelischer Freikirchen und Gemeinschaften mitwirkt.
Seit 1984 sind diese Gemeinden im Bund der Evangelischen Täufergemeinden zusammengefasst. Dieser Umfasst in der Schweiz und in Süddeutschland 28 Gemeinden mit ca. 2500 Mitgliedern. Die Evangelischen Täufergemeinden verstehen sich als Teil der Täuferbewegung.
Bernhard Ott
Der Gründer unserer Freikirche, Samuel Heinrich Fröhlich, geboren 1803, wurde im Jahre 1828 von der aargauischen Kirchenbehörde zum Pfarrverweser der Kirchgemeinde Leutwil am Hallwilersee ernannt.
Er hatte die für einen protestantischen Pfarrer übliche Ausbildung – humanistisches Gymnasium und Studium der Theologie an der Universität – hinter sich. Da er das Studium mit dem Examen zum Predigtamt an der protestantischen Landeskirche abschloss, konnte er zum Pfarrverweser ernannt werden.
Die Theologie, die damals an den Universitäten gelehrt wurde, war durch den „Rationalismus“ stark beeinflusst, welcher auf die „Aufklärung“ zurückging.
Der Rationalismus war eine Grundrichtung des philosophischen Denkens, welcher die Überzeugung vertrat, dass die Welt dem Verstand und der Vernunft gemäss, das heisst von logischer, gesetzmässig berechenbarer Beschaffenheit sei. In der protestantischen Theologie wurden die Wunder als natürliche Vorgänge gedeutet. Die Glaubenslehre wurde an den Massstäben der Vernunft überprüft, und der Offenbarungscharakter der Bibel verneint. An der biblischen Botschaft von Sünde und Gnade festzuhalten, war verpönt.
Dem Rationalismus stellten sich reformierte und lutherische Orthodoxie und der Pietismus entgegen, ebenso die aufkommende Erweckungsbewegung. Die Vertreter dieser Bewegung riefen zu einer persönlichen Glaubensentscheidung auf und predigten, dass der Mensch von seinem sündigen Wandel umkehren müsse; im Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus erhalte er Vergebung und neues Leben aus Gott.
Fröhlich ist gegen Ende seiner Studien mit den Kreisen der Erweckungsbewegung in Berührung gekommen. Zunächst lehnte er ihre Lehre entschieden ab. Aber bald änderte sich seine Einstellung, so notierte er im April 1824:
„Durch Gotteserkenntnis kommt der Mensch zur Selbsterkenntnis; das ist die Wahrheit, die uns Christus lehrt und zu der wir durch Busse gelangen.“
Er begann mit grosser Hingabe Gott zu suchen, „bis“, so schreibt er, „mir endlich der Glaubensblick auf Jesum Christum, den Gekreuzigten, Ruhe und Frieden und Licht brachte und einer neuen Schöpfung in mir Raum machte. Von da an ward Jesus Christus der Mittelpunkt meines ganzen Lebens.“
Am 7. Dezember 1828 hielt er in der Kirche in Leutwil als Pfarrverweser die Antrittspredigt. Er predigte das Evangelium mit grosser innerer Überzeugung und rief die Zuhörer zur Umkehr auf. War die Kirche vor der Anstellung von Fröhlich sonntags fast leer, so füllten sich nun die Bänke. Sogar viele Kirchgänger aus den umliegenden Dörfern besuchten die Predigten des neuen Pfarrverwesers.
Die Glaubensüberzeugung des jungen Pfarrers entsprach nicht der offiziellen Anschauung der aargauischen Kirchenbehörde, welche die rationalistische Richtung der Theologie vertrat. Fröhlich wurde vor die Behörde zitiert und seine Predigten zensuriert. Er konnte seine innerste Glaubensüberzeugung nicht verleugnen. Es kam zum Bruch. Am 13. Oktober 1830 entliess ihn die Kirchenbehörde, obwohl ein Bittschreiben der Kirchgemeinde Leutwil vorlag, man möchte den jungen Pfarrer nicht entlassen.
Fröhlich zog sich in die Stille zurück. Mit verschiedenen Vertretern der Erweckungsbewegung nahm er Kontakte auf.
Die Sorge um das geistliche Wohl vieler durch seine Predigten erweckten Kirchenbesucher in Leutwil belastete ihn sehr. So machte er im Frühjahr 1831 Besuche in Leutwil. Sobald bekannt wurde, dass er in der Gegend war, versammelten sich allabendlich 200 bis 300 Personen, um ihn zu hören.
Eine ganze Anzahl von Zuhörern wurde durch das gepredigte Wort ergriffen und erfuhr im Glauben an Jesus Christus Vergebung und Erlösung. Entsprechend den Anweisungen im Neuen Testament taufte Fröhlich 38 Neubekehrte.
Am Palmsonntag 1832 versammelte er sich mit ihnen. Sie nahmen gemeinsam das Abendmahl ein.
Diese Zusammenkunft kann als Geburtsstunde unserer Freikirche, der Gemeinschaft Evangelisch Taufgesinnter, bezeichnet werden. Fröhlich war sich dessen wohl kaum bewusst, da er nicht beabsichtigte, eine neue Gemeinschaft zu gründen.
1. Die erste Periode (bis zum Tode von Fröhlich)
Fröhlich war 29 Jahre alt, als die erste Gemeinde in Leutwil entstand. Mit 53 Jahren starb er. Während 24 Jahren seines kurzen Lebens verbreitete er das Evangelium hauptsächlich in den Kantonen Aargau, Thurgau, St. Gallen, Zürich, Bern, Neuchâtel und in Süddeutschland.
Am Ende seines Lebens (1857) zählte unsere Gemeinschaft über 30 Ortsgemeinden.
Fröhlich nahm viel Not und Beschwernisse auf sich, um Menschen zu einer lebendigen Gemeinschaft mit Christus zu führen. Ohne eine starke innere Berufung und ohne Gottes Hilfe hätte er diesen Weg nicht gehen können.
Seine Berufung, neue Gemeinden zu bilden, gibt folgendes von ihm stammende Zitat zum Ausdruck:
„Ich weiss und bin gewiss, dass unser Weg, eine Gemeinde zu bilden und zu sammeln durch die Taufe derer, die gläubig geworden sind, der einzige Weg zum Leben, zur Freiheit von der Sünde und zur Gemeinschaft mit Gott ist – die Gemeinde, die auf dem Weg der Predigt, des Glaubens und der Taufe gesammelt wird, aus Freiwilligen, nicht aus Gezwungenen.“
Die damaligen Zeitumstände waren für eine evangelistische Tätigkeit ausserhalb der Staatskirche zur Bildung von Freikirchen ungünstig, und zwar aus folgenden Gründen:
Obwohl in vielen Kantonen die Glaubens- und Gewissensfreiheit in den Verfassungen festgeschrieben war, wurde dieses Freiheitsrecht sehr engherzig ausgelegt. Fröhlich ist es oft passiert, dass er aus einem Kanton ausgewiesen wurde, weil er evangelisierte. Die Begründung lautete: Die Glaubens- und Gewissensfreiheit gilt nur für die persönliche Glaubensüberzeugung, nicht aber für das Weitergeben der eigenen religiösen Meinung in Form von Versammlungen. Hier hat man der Auffassung der Staatskirche zu folgen.
Bis zum Jahr 1874 (Revision der Bundesverfassung von 1848) war die Zivilehe fast in allen Kantonen ungültig. Die Ehe musste in der offiziellen Staatskirche geschlossen werden, ebenso mussten die neugeborenen Kinder in der Kirche getauft werden. Fröhlich heiratete im Jahre 1836 Susette Brunschwiler, Mitglied der Täufergemeinde von Hauptwil. Die Eheschliessung fand im Schoss der Gemeinde statt. Seine Ehe wurde von keiner schweizerischen Regierung anerkannt, ebenso galten seine Kinder als unehelich. Diese Situation brachte Fröhlich in grosse Not. Es blieb ihm schliesslich kein anderer Ausweg, als die intolerante Schweiz zu verlassen und sich für die letzten 13 Jahre in Strassburg niederzulassen, wo seine Ehe als rechtmässig anerkannt wurde.
Religiöse Vereinigungen ausserhalb der offiziellen Staatskirche galten damals als suspekt. Alle, die nicht der Staatskirche angehörten, wurden als Sektierer abqualifiziert. Auch die Mitglieder der von Fröhlich neu gegründeten Gemeinden hatten unter dieser intoleranten Haltung zu leiden. Viele wurden verfolgt, und Versammlungen wurden durch den Pöbel gestört. An einem Ort mussten sich die Teilnehmer eines Gottesdienstes im Wald versammeln, um geheim zu bleiben.
Die neugegründeten Gemeinden benötigten dringend geistliche Leitung. Obwohl Fröhlich in den Gemeinden Älteste (biblische Bezeichnung für Gemeindeleiter) für die Führung einsetzte, musste er diese in vielen Fragen beraten, weil sie Neuland betraten und sich nicht auf eine bestehende Ordnung stützen konnten. Die Arbeitslast von Fröhlich war enorm. Dazu kam, dass es noch keine Autos gab. Für Fröhlichs Evangelisationsreisen und für den Besuch der Gemeinden stand nur die Postkutsche zur Verfügung, die ein schwerfälliges und langsames Gefährt war.
Fröhlich hatte keine strotzende Gesundheit. Im Gegenteil – sein Körper machte ihm oft zu schaffen. Dafür ein Beispiel:
Im Januar 1836 weilte er in Zürich. Zwei Älteste wurden gewählt und an einem Freitagabend von Fröhlich eingesetzt. Am gleichen Tag liess der Statthalter Fröhlich durch den Weibel zu sich rufen. Er war verklagt worden und sollte Zürich sofort verlassen. Der Statthalter bezeichnete die Lehre der Täufer als Gotteslästerung. Nach zweistündiger Sitzung willigte der Statthalter ein, dass Fröhlich noch über den kommenden Sonntag in Zürich bleiben durfte.
Am Sonntagmorgen verkündete Fröhlich das Wort mit grosser Freudigkeit, brach aber nachher infolge eines Schwächeanfalls zusammen.
Zwei Wochen lag er darnieder. Er nahm keine Nahrung zu sich. Von Fieberphantasien wurde er geschüttelt, in denen er alle Anfechtungen der Verfolgung aufs neue durchlebte. Viele nahmen bereits von ihm Abschied. Die Sorge um die Gemeinde aber richtete den bereits Aufgegebenen wieder auf.
Die Stadt Zürich zählte damals 14000 Einwohner. Die Gemeinschaft der Evangelisch Taufgesinnten hatte 53 Mitglieder. Kurz nachdem Fröhlich Zürich verlassen hatte, wurden 11 Neubekehrte im See getauft.
Der äussere Druck hat den Zusammenhalt der Mitglieder der jungen Gemeinden stark gefestigt. Die herzliche Gemeinschaft der Brüder und Schwestern – so bezeichnet die Bibel gläubige Christen – war beeindruckend.
Fröhlich war während der Entstehungsphase unserer Gemeinden der einzige kompetente Theologe. Seine Ansichten, die er mündlich und schriftlich mit grosser Überzeugung vertrat, wurden zur Richtschnur für das theologische Denken unserer Gemeinden weit über seinen Tod hinaus. Das erklärt auch, weshalb unsere Gemeinden Mühe hatten, Kontakte zu anderen erwecklichen Kreisen aufzunehmen.
2. Die zweite Periode – die Entstehung einer weltweiten Glaubensfamilie
Diese zweite Periode, welche etwa bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges reichte, war gekennzeichnet durch die Ausbreitung unserer Gemeinschaft nach Deutschland, Frankreich, Österreich, Osteuropa und nach dem nord- und südamerikanischen Kontinent.
Die Art und Weise der Ausbreitung war typisch für unsere Denomination. Es gab kein zentrales Evangelisationskomitee, welches die Ausbreitung plante und organisierte. Sie erfolgte spontan durch einzelne Gläubige, durch Laien, welche dem inneren Ruf folgten und das Evangelium an ihrem Ort oder in ihrem Land verkündeten.
a) Ausbreitung nach Osteuropa
Im Sommer 1839 kamen zwei ungarische Wandergesellen in Zürich mit Fröhlich in Berührung. Sie hiessen J. Denkel und J. Kropatscheck und waren von Beruf Schlüsselschmiede. Fröhlichs lebendige Verkündigung beeindruckte sie so sehr, dass sie ihr Leben Christus übergaben und sich taufen liessen.
Zurückgekehrt nach Ungarn, breiteten sie ihre Glaubensüberzeugung unter ihren Berufskollegen aus. Der erste Gottesdienst der „Nazarener“ – so nennen sich in Osteuropa unsere Glaubensgeschwister – fand in der Nacht vom 8. Mai 1840 in einer Werkhalle statt. Die Versammlung begann mit dem Gesang von Liedern aus dem calvinistischen Liederbuch. Nach dem Gebet verkündete Denkel das Evangelium. L. Hencsey, welcher bereits mit Denkel Kontakt hatte, gab ein Zeugnis über seine Bekehrung und wurde anschliessend getauft.
Hencsey wurde bald eines der aktivsten Mitglieder der neuen Bewegung. Während des Tages arbeitete er als Handwerker, und während der Nacht predigte er in privaten Häusern.
Da die Behörden auf ihn aufmerksam gemacht wurden, begannen sie ihn zu verfolgen. Er floh nach Zürich, wo er 1843 starb.
Das evangelistische Feuer wurde nach seinem Tode von Josef Bella weiter am Leben erhalten. 1850 wurde Bella von den Behörden ins Gefängnis von Pest eingeliefert. Hinter den Gefängnismauern verkündigte er unermüdlich die frohe Botschaft. Viele Mitgefangene kamen zum Glauben. Auch der Gefängnisaufseher, seine Frau und seine Schwester wurden gläubig. 1855 verschaffte die Behörde Bella einen Pass nach Amerika, damit er auswandern konnte.
Im Jahre 1854 erliessen die ungarischen Behörden eine Amnestie. Viele gefangene Nazarener wurden aus dem Gefängnis entlassen, so unter anderen auch Istvan Kalmar. Ein ungarischer Historiker bezeichnet ihn als den zweiten Gründer der Nazarenergemeinde. Er verkündigte das Evangelium mit grossem Einsatz und gründete an verschiedenen Orten Nazarenergemeinden, bis ihn die Behörden wieder einsperrten.
Nach dem Tode von Kalmar verbreiteten Karoly Ethei und Joszef Toth die „neue“ Lehre.
In Vasahely entstand ein missionarisches Zentrum, welches von den ungarischen Behörden so wichtig genommen wurde, dass es dem Minister für religiöse Angelegenheiten und öffentliche Lehren unterstellt wurde.
Gottes Führungen sind wunderbar. Der oben genannte Karoly Ethei, welcher mit grossem missionarischem Eifer Gottes Wort verkündete, war 20 Jahre wegen Diebstahl und Mord im Gefängnis gewesen. Durch mitgefangene Nazarener zum Glauben gekommen, wurde er nach seiner Entlassung ein eifriger Diener des Evangeliums.
Von Ungarn aus fassten die Nazarenergemeinden Fuss in Serbien, Bosnien, Slawonien, später auch in Rumänien. In Serbien breitete sich die Bewegung rasch aus. Wahrscheinlich entstand die erste Gemeinde im Jahre 1867.
Da die Glaubensüberzeugung der Nazarener bei vielen Serben Anklang fand und Übertritte aus der serbisch-orthodoxen Kirche zu Nazarener-Gemeinden stattfanden, wurden kirchliche und politische Kreise auf die neue Bewegung aufmerksam.
Verschiedene Veröffentlichungen aus jener Zeit sind erhalten. Sie befassten sich mit der Frage nach den Gründen des starken Wachstums der Nazarenergemeinden.
Als ein Grund wurde unter anderem die schlechte Führung der orthodoxen Kirche angegeben; wieder andere meinten, die Nazarener solidarisierten sich mit der verarmten Bevölkerung, welche gegen den aufkommenden Kapitalismus passiven Widerstand leistete. Auf jeden Fall wurde den Nazarenern bestätigt, dass sie ehrliche und aufrichtige Bürger seien, welche versuchten, nach dem Vorbild der ersten Christengemeinden zu leben.
Trotzdem wurde die Bewegung von den massgebenden kirchlichen und politischen Kreisen mit grossem Misstrauen und Vorbehalten betrachtet; sie wurde als soziales Übel angesehen, besonders weil die Nazarener nicht bereit waren zu schwören und sich weigerten, Militärdienst mit der Waffe zu leisten.
b) Ausbreitung nach dem nord- und südamerikanischen Kontinent
Samuel Heinrich Fröhlich wurde von einer Täufersiedlung in Black River, USA, gebeten, ein Mitglied der Gemeinschaft Evangelisch Taufgesinnter nach den USA zu senden, um bei der Gründung und Führung einer Gemeinde behilflich zu sein. Beneth Weyeneth wurde für diese Aufgabe bestimmt.
Er wurde in der Schweiz zum Ältesten gewählt und von Fröhlich eingesegnet. 1847 reiste er nach Amerika und gründete im Osten der USA, in New Bremen, die erste Gemeinde unserer Denomination.
Er setzte Josef Virkler (ursprünglicher Name in der Schweiz: „Würgler“) als Ältesten ein.
Nach dem Tode von Josef Virkler sprang sein Bruder Peter in die Lücke. Er bereiste die USA und predigte an vielen Orten. So gründete er in Portland die erste Gemeinde im Westen von Amerika.
Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten viele Taufgesinnte aus der Schweiz und Deutschland nach den USA aus, weil sie an manchen Orten von den Behörden wegen der Ausübung ihres Glaubens bedrängt wurden. Auch wirtschaftliche Gründe zwangen viele zur Auswanderung.
Ein typisches Beispiel für die damalige Situation ist der Weg von Andreas Braun. Er kam im Jahre 1845 aus Deutschland (Schweinsfurt) in die Schweiz und arbeitete als Geselle bei Bruder Märki in Ormalingen (Basel-Land). Letzterer war Mitglied unserer Gemeinschaft. Hier hörte er die frohe Botschaft des Evangeliums und kam zum Glauben an Christus. Er reiste nach Strassburg und wurde dort von Fröhlich im Rhein getauft. Im folgenden Jahr kehrte Andreas Braun nach Deutschland zurück und predigte in Schweinfurt das Evangelium. Eine Gemeinde entstand. Nach einiger Zeit wurde er wegen seiner evangelistischen Tätigkeit von der Behörde ins Gefängnis geworfen. Sie stellte ihn vor die Alternative, seine evangelistische Tätigkeit einzustellen oder auszuwandern. Ein Gesuch beim König von Bayern um die Erlaubnis, das Evangelium zu predigen, hatte keinen Erfolg.
Im Jahre 1854 reiste er mit seiner Familie und der ganzen Gemeinde nach den Vereinigten Staaten aus. Die Reise war in jener Zeit sehr beschwerlich. 42 Tage dauerte allein die Überquerung des atlantischen Ozeans. Braun entfaltete in den USA eine rege evangelistische Tätigkeit.
1872 wanderten 3 Berner Familien nach Argentinien aus und gründeten dort täuferische Gemeinden. Auch in Brasilien entstand im Jahr 1922 eine Täufergemeinde.
1. Die Einheit der Gemeinde
Während der Lebzeit von Samuel Heinrich Fröhlich entstanden in der Schweiz und in Süddeutschland etwa 30 Gemeinden. Nach dem Tode von Fröhlich erlosch in den Gemeinden der genannten Gebiete der missionarische Eifer, nur noch ein spärlicher Zuwachs ist zu verzeichnen. Hingegen hat die Bewegung, wie wir festgestellt haben, in den osteuropäischen und nord- und südamerikanischen Staaten Fuss gefasst.
Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges ist die Entwicklung in unseren Gemeinden weltweit sehr ähnlich verlaufen.
Man bemühte sich, in den wichtigsten Fragen, wie Gemeindeverständnis, Gemeindezugehörigkeit, Taufe, Abendmahl und Gemeindezucht weltweit übereinzustimmen. Da kein übergeordnetes Organ die Koordination unter den Gemeinden sicherstellte, fanden periodisch nationale und internationale Ältestenversammlungen statt, die den Zusammenhalt unter den Gemeinden förderten. Zudem pflegten die Gemeinden durch gegenseitige Besuche den Kontakt miteinander.
Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, alles hätte von selbst funktioniert. Einzelne Führungspersönlichkeiten bestimmten den Kurs.
Man war weltweit bemüht, das theologische Erbe von Fröhlich zu bewahren. Das führte zu einer Isolation in unseren Gemeinden. Der Kontakt mit anderen evangelischen Freikirchen wurde vermieden.
Die Gemeinden waren weniger vom demokratischen Denken geleitet als in unserer Zeit. Die Ältesten hatten eine stärkere Stellung als heute. Die Gemeindezucht wurde streng gehandhabt. Der versammelten Gemeinde im Sinne von Matthäus 18, 15- 20 mass man eine grosse Bedeutung zu.
Bewerber, welche in die Gemeinde aufgenommen werden wollten, hatten sich einer strengen Prüfung zu unterziehen. Ist die Umkehr des Freundes echt? (Freunde nannte man die Versammlungsbesucher, die noch nicht zur Gemeinde gehörten). Hat er genügend Busse getan und seine Sünden bekannt? Hat er im Glauben an Jesus Christus Vergebung und den Frieden Gottes empfangen?
Das Abendmahl wurde nur im Kreise der Gemeindeglieder gefeiert.
Der Zusammenhalt unter den Brüdern und Schwestern war sehr ausgeprägt. Das gesellschaftliche Leben der Mitglieder spielte sich grösstenteils innerhalb der Gemeinde ab. Man fühlte sich im Kreis der Geschwister geborgen.
Am Sonntag waren die Geschwister den ganzen Tag zusammen. Meistens fanden zwei Gottesdienste statt. Nach dem Morgengottesdienst nahm man gemeinsam das Mittagessen ein. In vielen Gemeinden wurde nach dem Gottesdienst am Nachmittag noch ein Imbiss serviert. Den Sonntagabend verbrachten die Geschwister im privaten Kreise mit Gesang und Musik. Am Mittwochabend fand man sich wieder zum Gottesdienst ein.
Auf die Liebe der Glaubensgeschwister untereinander wurde grossen Wert gelegt.
Notleidenden Mitgliedern wurde geholfen. Arme wurden von der Gemeinde unterstützt. An verschiedenen Orten wurden Altersheime gebaut, damit alleinstehende oder bedürftige alte Geschwister gut aufgehoben waren.
Innerhalb der Gemeinde begrüssten sich Männer als geistliche Brüder mit dem Kuss, ebenso verhielten sich Frauen als Schwestern untereinander, 1. Petrus 5, 14; Römer 16, 16.
Bei der Beschäftigung mit der Geschichte der Gemeinschaft Evangelisch Taufgesinnter staunt man über den weltweiten Zusammenhang.
Im Mittelalter sagte man, wenn ein Waldenser (alte evangelische Freikirche, die verfolgt wurde) von Rom nach Berlin reise, müsse er nirgends einkehren; überall könne er bei einem Glaubensgenossen Unterschlupf finden. So ähnlich war es auch in unserer Denomination. Die Gastfreundschaft war sehr ausgeprägt. Glaubensgenossen aus europäischen Gemeinden wurden z.B. in den USA überall in grosser Liebe aufgenommen, umgekehrt fanden amerikanische Geschwister bei europäischen Geschwistern überall offene Türen. Auch die Verbindungen zu den Gemeinden in Osteuropa waren herzlich. Ungarische und serbische Brüder, die auf Besuch in die Schweiz kamen, predigten in Schweizer Gemeinden.
Schweizerische Älteste scheuten den langen Weg nach den USA nicht, um die dortigen Gemeinden zu besuchen.
Älteste von Zürich reisten durch den ganzen amerikanischen Kontinent, um die Gemeinden im Westen der USA kennenzulernen.
Ein Ältester aus der Schweiz stand zu Beginn unseres Jahrhunderts den neugegründeten brasilianischen Gemeinden mit Rat und Tat bei. Auch Geschwister aus den USA kümmerten sich um die südamerikanischen Gemeinden. Weltweit wurden die Verbindungen durch gegenseitige Besuche gepflegt.
Durch die starke Betonung des Gemeindelebens wurde die Notwendigkeit der missionarischen Tätigkeit gemäss dem Missionsbefehl des Herrn zu wenig beachtet. Eine organisierte Missionstätigkeit, die von den Gemeinden getragen worden wäre, kannte man nicht.
Man beruhigte sich mit der Tatsache, dass jedes Gemeindeglied durch einen vorbildlichen Wandel in seinem Kreise zur Verkündigung des Evangeliums beitrage.
2. Die Trennung
Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die weltweite Einigkeit unserer Gemeinden stark erschüttert.
In Amerika war seit alters her eine bestimmte Barttracht der Männer üblich, die auch ihre Nachahmer in Deutschland und der Schweiz fand. Nun kam um die Jahrhundertwende in Amerika eine modernere Barttracht auf. Viele amerikanische Älteste ermahnten ihre Gemeinden, nicht der modernen Strömung zu folgen. Sie sollten sich nicht der „Welt“ gleichstellen.
Brüder, die damals aus Ungarn und Serbien nach Amerika auswanderten, waren nicht bereit, sich der alten Sitte zu unterwerfen und vertraten den Standpunkt, dass die Bibel nirgends eine bestimmte Barttracht vorschreibe.
Es kam zu Auseinandersetzungen, die auch auf die Schweiz und Deutschland übergriffen. Die tiefer liegenden Fragen über unser Verhältnis zur „Welt“ entzündeten sich am Zankapfel „Barttracht“.
Eine Anzahl Brüderversammlungen fanden statt, wobei sich eine kleinere gesetzlich eingestellte Gruppe von Ältesten herauskristallisierte, welche an der alten Mode festhalten wollte. Im Hintergrund mag auch die Machtfrage eine Rolle gespielt haben. Diese Gruppe von Ältesten forderte von ihren Gemeinden strikte Unterordnung.
Die gesetzliche Gruppe rief im Jahre 1905 in Basel eine eigene Brüderversammlung zusammen, an welcher beschlossen wurde, Brüder, die nicht ihrer Ansicht waren, nicht mehr anzuerkennen.
Damit war die Trennung besiegelt. Ein schmerzhafter Riss ging durch die Gemeinden in den USA, Deutschland und der Schweiz. Dabei bildeten die Geschwister, die den gesetzlichen Weg einschlugen, nur eine Minderheit. Die überwiegende Mehrheit unterwarf sich der gesetzlichen Richtung nicht. Aus dieser Mehrheit entstand die heutige ETG in der Schweiz und in Deutschland. In den USA schlugen vor allem die Gemeinden den gesetzlichen Weg ein, deren Mitglieder Nachkommen von Schweizern oder Deutschen waren.
Doch bestehen heute gute Beziehungen von Geschwistern der gesetzlichen Gruppe in den USA zu unseren Gemeinden in der Schweiz und Deutschland. Diese amerikanische Gruppe hat nach dem Zweiten Weltkrieg unsere notleidenden Geschwister in Osteuropa grosszügig unterstützt.
In den ersten Jahrzehnten nach der Trennung wurde etliche Male der Versuch unternommen, die Einheit wieder herzustellen, leider ohne Erfolg. Doch persönliche Beziehungen blieben bestehen und ermöglichten in Notzeiten oft erstaunlich gute Zusammenarbeit.
3. Die Zeit zwischen den Weltkriegen
Der Erste Weltkrieg, 1914 – 1918, unterbrach die weltweiten Verbindungen unter den Taufgesinnten-Gemeinden. Nach Beendigung des Krieges wurde der Kontakt wieder aufgenommen. Man fühlte sich füreinander verantwortlich.
Die schweizerischen und amerikanischen Gemeinden halfen den Glaubensgeschwistern in den osteuropäischen Staaten, welche durch den Krieg in Not geraten waren.
Auch die Geschwister in Wien erhielten viele Pakete mit Liebesgaben von schweizerischen und amerikanischen Gemeinden. Die Platzverhältnisse im Saal, in dem sich die Wiener Geschwister zum Gottesdienst versammelten, waren wegen der wachsenden Zahl von Besuchern sehr prekär geworden.
Dank Spenden aus den USA und der Schweiz war es im Jahre 1921 möglich, eine geeignete Liegenschaft am Stadtrand von Wien zu kaufen. Das „Nazareth“, so wurde das erworbene Haus genannt, enthielt neben drei Wohnungen zwei Säle für den Gottesdienst und den Kinderunterricht. Im „Nazareth“ fanden in den kommenden Jahren viele verfolgte Geschwister aus dem Osten ihren ersten Stützpunkt.
Wegen der unsicheren politischen Lage wünschten die amerikanischen Geschwister, dass die Liegenschaft als schweizerischer Besitz deklariert werde.
Sieben Mitglieder von schweizerischen Taufgesinnten-Gemeinden gründeten deshalb eine Genossenschaft mit Sitz in Zürich. Das neue Versammlungshaus in Wien wurde dieser neu gegründeten Genossenschaft übertragen. Sie nannte sich „HILFE“. Die konstituierende Generalversammlung fand am 7. Juli 1921 in Zürich statt. Der erste Präsident war Julius Koch, Zürich.
Es war die Absicht der Gründer, dass diese neu ins Leben gerufene Genossenschaft, die im schweizerischen Handelsregister eingetragen wurde, überall da helfen soll, wo Gemeinden oder Geschwister in Not geraten. Die „HILFE“ hat sich im Laufe der Jahre zu einem segensreichen Werk entwickelt. In den USA wurde später eine parallele Organisation unter dem Namen „Aid“ gegründet.
Viele jugoslawische Glaubensbrüder wurden nach dem Ersten Weltkrieg wegen ihrer Glaubensüberzeugung ins Gefängnis geworfen. Sie weigerten sich, im Militärdienst Waffen zu tragen. Ihr schweres Los bedrückte die Gemeinden weltweit. Amerikanische und schweizerische Glaubensbrüder bemühten sich, in den 20er Jahren beim Völkerbund vorstellig zu werden, um diese Männer aus den Gefängnissen zu befreien. Leider waren die Bemühungen erfolglos.
Der Zweite Weltkrieg, 1939 – 1945, unterbrach erneut die weltweiten Verbindungen der Taufgesinnten-Gemeinden. Im Unterschied zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erlebten die westeuropäischen Gemeinden nach Kriegsende einen neuen Aufbruch.
1. Veränderungen
Fünfeinhalb Jahre hat der Zweite Weltkrieg gedauert, der heftigste, grösste und mörderischste aller bisherigen Kriege. 55 Millionen Menschen haben den Tod gefunden; Familien sind auseinandergerissen und unzählige Dörfer und Städte zerstört worden.
Nicht nur sind menschliche Siedlungen dem Erdboden gleich gemacht worden, auch die Moral hat gelitten.
Unter dem Schrecken des Krieges hat sich auch das geistige Umfeld geändert. Neue philosophische Richtungen sind entstanden, welche den christlichen Glauben bedrohen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg haben in unseren Gemeinden Veränderungen stattgefunden:
Während der Kriegsjahre konnten die internationalen Kontakte unter den Gemeinden nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Der weltweite Zusammenhang ist lockerer geworden. man kann nicht mehr von einer weltweiten Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen des Glaubens sprechen. Dagegen ist eine Öffnung zu anderen christlichen Denominationen festzustellen. Neue Tätigkeitsbereiche wie Jugendbetreuung, Evangelisation und Mission sind entstanden. Der Wortverkündigung wird mehr Gewicht beigemessen als bisher. Durch Schulungskurse versucht man das Niveau der Verkündigung zu heben. In grösseren Gemeinden werden Geschwister zur Besorgung wichtiger Aufgaben vollamtlich angestellt. Theologisch ausgebildete Lehrer werden für wichtige Aufgaben herangezogen.
In Westeuropa haben sich unsere Gemeinden zu einem Bund zusammengeschlossen. Die folgende Darstellung der Entwicklung unserer Denomination in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg konzentriert sich hauptsächlich auf die westeuropäischen Gemeinden.
2. Das Flüchtlingselend
In Jugoslawien herrschte in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges ein grausamer Bürgerkrieg. Die Partisanen von Tito bekämpften die deutschen Besetzer und die mit ihnen verbundenen Tschetniks.
Als die Sowjetunion und ihre Verbündeten in Jugoslawien einbrachen, versuchte die deutsche Besetzungsmacht im Herbst 1944 die sogenannten Volksdeutschen zu evakuieren. (Die Volksdeutschen sind Nachkommen von jenen Deutschen, die vor 200 Jahren im Gebiet von Jugoslawien von der österreichisch-ungarischen Monarchie angesiedelt wurden, um die Grenzen gegen die Türken zu sichern).
180.000 Personen flohen nach dem Westen. Vor dem Krieg lebten 650.000 Volksdeutsche in Jugoslawien.
Mit diesem Strom von Flüchtlingen kamen auch einige Hundert „Nazarener“ mit Kindern und Enkelkindern nach Österreich und Deutschland. Die Serben und Partisanen verfolgten Volksdeutsche, die nicht rechtzeitig das Land verlassen konnten. Sie wurden in Lager eingewiesen, wo sie Hunger und andere Qualen erdulden mussten. Viele sind in diesen Lagern gestorben.
In Österreich füllten sich die Flüchtlingslager. Die „HILFE“ versuchte mit allen Mitteln, Verbindung mit unseren geflüchteten Glaubensgenossen aufzunehmen. Auch Radio und Presse wurden in diese Suchaktion eingeschaltet. Folgender Aufruf wurde durch das Radio und die Presse weitergegeben:
„Der Delegierte der Genossenschaft „HILFE“ in Zürich, Paul Kambly, ersucht die aus Jugoslawien, Banat und Bacska nach Österreich geflüchteten deutschsprachigen „Nazarener“ dringend, ihm ihre Adressen schriftlich bekanntzugeben. Die Genossenschaft „HILFE“ in Zürich wird alles unternehmen, um mit Kleidern und Lebensmitteln die Lage der Geflüchteten zu erleichtern.“ Viele meldeten sich, und so konnte unseren jugoslawischen Glaubensgeschwistern in Österreich geholfen werden. Grosse Sendungen an Kleidern und Lebensmitteln wurden von unseren schweizerischen Gemeinden nach Österreich befördert.
Im Versammlungshaus in Wien wurden manche Flüchtlinge aufgenommen und versorgt, bis sie weiterzogen. Viele von ihnen wanderten nach den USA, Kanada und Australien aus.
In Österreich fanden zahlreiche Glaubensgeschwister vorübergehend in der Barackensiedlung „Friedheim“ in Salzburg Obdach. In Linz, Wels und Lambach entstanden neue Gemeinden. In der Steiermark versammelten sich die Flüchtlingsgeschwister vor allem in Graz.
In Deutschland nahmen sich unsere ansässigen Geschwister den Flüchtlingen an und versuchten, ihnen vorübergehend eine Heimat zu bieten.
Die „HILFE“ half mancher Flüchtlingsfamilie durch ein Baudarlehen, damit sie in Deutschland oder Österreich ein Haus bauen konnte. In der Zeit von 1949 bis 1960 wurden über 150 Baudarlehen gewährt.
Zwei jüngere Brüder aus der Schweiz, Paul Kaltbrunner und Albert Märki, reisten im Auftrag der „HILFE“ im Jahre 1951 nach den USA, um unsere Geschwister dort über die Lage der Flüchtlinge in Deutschland und Österreich zu orientieren. Die amerikanischen Geschwister unterstützten sofort in grosszügiger Weise die Genossenschaft „HILFE“. So konnte vielen dabei geholfen werden, eine neue Existenz aufzubauen.
3. Evangelisation
a) Neubeginn
Der Verkündigung des Evangeliums ausserhalb der Grenzen unserer Gemeinden stand man bis zum 2. Weltkrieg sehr skeptisch, ja ablehnend, gegenüber.
An der Brüderversammlung vom 18. März 1939, also einige Monate vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurde auch die Evangelisationsfrage angesprochen.
Man war der Meinung, die wirksamste Evangelisation sei das Zeugnis einer lebendigen Gemeinde und der vorbildliche Wandel der Gemeindeglieder. Man müsse sich vor menschlicher Betriebsamkeit hüten.
Nach dem zweiten Weltkrieg änderte sich diese Ansicht. Anlass dazu gaben amerikanische Brüder. Diese beauftragten nämlich im Jahre 1949 die Brüder Paul Kaltbrunner, Schweiz, und Paul Schiler, Deutschland, im durch den Krieg arg zerstörten Deutschland evangelistisch tätig zu sein.
Unsere Gemeinden in den USA haben an etwa 5000 Adressen in Deutschland Liebesgabenpakete gesandt. Nun wurden die beiden Brüder gebeten, den Empfängern der Liebesgabenpakete auch das Evangelium zu bringen.
Im Jahre 1951 baten die Geschwister aus den USA die Geschwister in der Schweiz, sie möchten die Finanzierung der Auslagen der beiden Evangelisten übernehmen und ihnen auch in geistlicher Hinsicht beistehen.
Am 29.12.1951 versammelten sich die Ältesten und Lehrbrüder, um die Bitte der amerikanischen Geschwister zur Übernahme der Verantwortung für die in Deutschland evangelistisch tätigen Brüder zu besprechen. Alle Anwesenden stimmten der Unterstützung der beiden Evangelisten zu. Das im Jahre 1949 gebildete Evangelisationskomitee sollte für diese Aufgabe herangezogen werden.
Nun waren unsere Gemeinden mit der Frage der Evangelisation grundsätzlich konfrontiert. Sollten neben den erwähnten Evangelisten weitere Brüder für die Evangelisationsarbeit vollamtlich herangezogen werden? Wie sollten in Zukunft unsere Gemeinden evangelisieren?
Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der Evangelisationsarbeit wurden die Aufgaben des Evangelisationskomitees neu umschrieben. Hier die wichtigsten Punkte.
Planung der Evangelisationstätigkeit und Überwachung derselben.
Anstellung von Evangelisten.
Ausbildung zur Evangelisationsarbeit.
Entscheidung über die zur Verteilung gelangende Literatur.
Weitere Punkte befassten sich mit finanziellen Fragen.
Die Anwesenden unterstützten die Öffnung unserer Gemeinden für evangelistische Tätigkeiten. Der Vorsitzende der Konferenz erklärte abschliessend, dass sich nun die Gemeinden der Schweiz entschieden hätten, in bescheidenem Rahmen den Mitmenschen durch die Evangelisation zu dienen. Wenn diese Tätigkeit mit Ernst und Liebe ausgeführt werde, könne eine segensreiche Rückwirkung auf unsere Gemeinden nicht ausbleiben.
b) Flüchtlingsgemeinden
Bald entstand ein grosser Bedarf an Predigern, welche bereit waren, in Flüchtlingslagern und neu gebildeten Gemeinden zu evangelisieren. Grosse Flüchtlingslager bestanden in Österreich und Deutschland. Unsere Geschwister, welche sich in diesen Lagern befanden, mussten mit dem Wort Gottes versorgt werden. Viele Gottesdienste wurden von schweizerischen und süddeutschen Brüdern in diesen Lagern gehalten, wobei nicht nur unsere Geschwister eingeladen, sondern auch interessierte Insassen zur Teilnahme am Gottesdienst ermuntert wurden.
Später versammelten sich die Flüchtlingsgeschwister, welche nicht nach Übersee weitergereist waren, an ihren neuen Wohnorten, in Wohnstuben oder gemieteten Sälen. Die „HILFE“ unterstützte die neu zugezogenen Flüchtlingsgeschwister beim Bau von eigenen Versammlungshäusern oder bei der Miete geeigneter Lokale.
In Deutschland entstand damals eine Anzahl neuer Gemeinden, so z.B. in Balingen, Breidenbach, Kolbermoor/Schlarbhofen, Laichingen, Lauffen am Neckar, Ludwigshafen-Oggersheim (heute Offstein), Reutlingen, Schwenningen/Tuttlingen (heute Spaichingen).
In Österreich entstanden folgende Gemeinden neu: Graz, Hallein-Rif, Linz.
Diese neu gegründeten Gemeinden bedurften neben der materiellen Hilfe auch tatkräftige geistliche Unterstützung, die ihnen von deutschen und schweizerischen Brüdern gewährt wurde. Für manchen unserer Brüder war es ein tiefes Erlebnis unter Flüchtlingen, die alles verloren hatten, das Evangelium der Liebe zu verkünden.
Das Bewusstsein, dass die Gemeinde den Auftrag hat, Aussenstehenden das Evangelium zu bringen, blieb lebendig.
c) Neue Gemeinde in Schweden
Im Herbst 1963 haben jugoslawische Flüchtlingsgeschwister in Schweden begonnen, sich regelmässig zum Gottesdienst zu versammeln.
Dem Wunsch der Geschwister entsprechend erklärten sich zwei Älteste aus der Schweiz bereit, beim Aufbau einer neuen Gemeinde mitzuhelfen.
Die Zahl der Versammlungsbesucher stieg. Finanzielle Beiträge der „HILFE“ und die Mithilfe von freiwilligen Einsatzgruppen aus Deutschland und der Schweiz ermöglichten 1971 in Oerkelljunga (Südschweden) ein Versammlungshaus zu erstellen.
Heute dienen die neuen Räumlichkeiten der örtlichen Gemeinde und einer christlichen Schule mit etwa 100 Kindern.
d) Grossevangelisationen
An verschiedenen Orten versuchten unsere Gemeinden evangelistisch tätig zu sein; es zeigte sich aber bald, dass es nicht leicht ist, als Einzelgemeinde an die Öffentlichkeit zu treten, um zu evangelisieren. Am erfolgreichsten waren die Gemeinden, bei welchen die Gemeindeglieder persönlich zum Gottesdienst einluden. Die Organisation von besonderen Gästesonntagen war eine geeignete Massnahme, um Aussenstehende mit unseren Gemeinden und ihrer Botschaft bekannt zu machen.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen Grossevangelisationen auf. Am bekanntesten waren die Evangelisationen von Billy Graham und des Janz-Teams. Auch die Zeltevangelisation von Gerhard Bergmann und anderen Evangelisten fanden ein grosses Echo. Diese Evangelisten arbeiteten mit den evangelischen Gemeinden der Orte zusammen, an welchen die Evangelisation stattfand. Auch unsere Gemeinden wurden gebeten, mitzuhelfen. Anfänglich distanzierten sie sich von der Mitarbeit. Doch allmählich erkannte man die segensreichen Auswirkungen dieser Art von Wortverkündigung, und mit der Zeit wurde die Schwellenangst überwunden.
Heute arbeiten viele Geschwister unserer Gemeinden regelmässig an örtlichen und regionalen evangelistischen Anlässen mit. Grosser Wert wird wieder vermehrt auf persönliche Beziehungen zu Menschen, die Gott fernstehen, gelegt. Sie sollen durch das Zeugnis in Wort und Tat zu Jesus Christus hingeführt werden.
e) „FreuetEuch“
An der Generalversammlung der „HILFE“ im Herbst 1949 wurde auf Anregung von zwei Versammlungsteilnehmern beschlossen, eine Zweimonatszeitschrift für unsere Gemeinden herauszugeben. Sie sollte unter dem Namen „Freuet Euch“ mit dem Zusatz „Zweimonatszeitschrift zur Erweckung und Förderung des inneren Lebens in Christo“ erscheinen.
Die erste Nummer wurde an Weihnachten 1949 herausgegeben. Neben Artikeln, die der Vertiefung des Glaubens dienten, erschienen wichtige Mitteilungen der einzelnen Taufgesinnten-Gemeinden.
Heute dient die Zeitschrift vor allem als Publikationsorgan des Bundes ETG und des Evangelischen Missionsdienstes.
4. Mission
Unter Mission wird die Ausbreitung des Evangeliums in Gebieten, deren Bewohner nicht christlich sind, verstanden.
Für unsere Gemeinden gibt es zwei Möglichkeiten, die Mission zu fördern. Man kann Missionare in ihrer Tätigkeit unterstützen oder eigene Missionsstationen in nicht christlichen Gebieten errichten.
a) Evangelischer Missionsdienst (EMD)
Die Tatsache, dass die Gemeinden in der Schweiz und Deutschland die Mission auf keine Weise förderten, beunruhigte die Geschwister der Gemeinde Basel in zunehmendem Masse. Sie empfanden, dass man in dieser Frage das Wort Gottes zu wenig beachte. Sie suchten Wege, um der biblischen Aufforderung, den Nichtchristen das Evangelium zu bringen, nachzukommen.
Die Gemeinde Basel wählte im Jahre 1955 ein fünfköpfiges Komitee, welches in Zukunft verantwortlich für die Förderung der Missionstätigkeit sein sollte. Man wollte keine eigene Missionsstation in einem nicht christlichen Lande betreiben, sondern lediglich Missionare, deren Glaubensgrundsätze und Auffassungen sich mit denjenigen unserer Denomination decken, unterstützen.
Im Januar 1956 wurde erstmals die Verantwortung zur Unterstützung einer Missionarin übernommen.
An der Ältesten- und Lehrbrüderzusammenkunft vom 23. Februar 1957 diskutierten 68 Lehrbrüder und Älteste aus der Schweiz und Deutschland eingehend über die Fragen der Mission und über das Vorgehen der Basler Gemeinde.
Grundsätzlich anerkannte man die biblische Aufforderung zur missionarischen Tätigkeit. Über die Art der Durchführung war man sich nicht einig. Man befürchtete, unsere Gemeinden würden überfordert. Andere Stimmen meinten, die Zusammenarbeit mit anderen Denominationen auf dem Missionsfeld könnte zu unliebsamen theologischen Auseinandersetzungen führen.
Am 3. Oktober 1959 wurde unter dem Namen „Evangelischer Missionsdienst“ mit Sitz in Basel ein Verein gemäss Art. 60ff des Schweizerischen Zivilgesetzbuches gegründet. Der erste Vorstand setzte sich aus den Brüdern Otto Kramer, Paul Zahner und Walter Meier zusammen.
In den revidierten Statuten vom 4. April 1993 wird der Vereinszweck wie folgt umschrieben:
„Der Evangelische Missionsdienst (EMD) ist ein Verein zur Förderung der christlichen Missionsarbeit. Unter Mission versteht er die dem Vorbild Jesu und der Apostel entsprechende, kulturbezogene Ausbreitung des Evangeliums. Dazu gehören christliche Lehre und praktische Lebenshilfe in Bereichen der Alphabetisierung, der Berufsausbildung, der Entwicklungs- und Sozialhilfe sowie des Gesundheitswesens. Dieses Ziel soll erreicht werden durch das Aussenden und Unterstützen von entsprechend ausgebildetem Personal und durch die Finanzierung von Projekten.“
Der „Evangelische Missionsdienst“ hat seit seinem Bestehen eine segensreiche Tätigkeit entfaltet. Unsere Gemeinden wurden der Verantwortung bewusst, welche sie gegenüber dem Missionsbefehl unseres himmlischen Herrn haben. Die Spenden werden für Missionare verwendet, welche das Evangelium in seiner vollen Wahrheit verbreiten.
Junge Gemeindeglieder werden für einen persönlichen Einsatz auf einem Missionfeld motiviert und können sich durch den Evangelischen Missionsdienst beraten lassen.
Der EMD gibt an seiner jährlichen Generalversammlung Auskunft über die Verwendung der eingenommenen Gelder und über die Förderung der Missionstätigkeit. Im Jahre 1992 wurden 100 Missionare und Projekte von verschiedenen Missionsgebieten unterstützt.
Am 8. September 1963 wurde in Deutschland der EMD Stuttgart, heute EMD Ludwigsburg, gegründet. Er nimmt das Missionsanliegen in den Gemeinden in Deutschland und Österreich wahr. Der EMD Basel ist für die Gemeinden in Frankreich und der Schweiz zuständig. Beide Werke sind eng miteinander verbunden.
Als Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen der Schweiz“ (AEM) arbeitet der EMD Basel heute mit vielen bekannten Missionsgesellschaften zusammen. Die meisten Missionare, die der EMD unterstützt, werden an diese Gesellschaften ausgeliehen. Ihr Einsatz geschieht unter der Verantwortung der jeweiligen Feldleitung. Ausnahmen bilden die Missionen in Tansania, Papua Neu Guinea und Ghana, wo im Rahmen der neu entstandenen Täufergemeinden gearbeitet wird. Diese Missionsarbeit wird in den nachfolgenden Punkten b – d noch ausführlicher beschrieben.
In Argentinien geschieht die Arbeit innerhalb der dortigen Täufergemeinden, die durch Einwanderung entstanden sind und sich inzwischen stark vermehrt haben.
Heute gewinnt der Gedanke zunehmend an Bedeutung, dass Mission in der unmittelbaren europäischen Umgebung mit dem Ziel erfolgen sollte, auch hier neue Gemeinden zu gründen und aufzubauen.
Eine umfassende Schrift mit dem Arbeitstitel „Missionsgeschichte der ETG“ ist zur Zeit in Vorbereitung.
b) Mission in Tansania – Mbalezi Evangelistic Church
Fritz Lehner, Gränichen, von Beruf Möbelschreiner, erhielt am Sylvesterabend 1947 den Ruf von Gott, ihm in der Mission zu dienen. Im Jahre 1950 reiste er mit seiner Gattin Myrtha und seinen zwei kleinen Kindern nach Tansania.
Hier arbeitete er 4 Jahre mit einer Missionsgesellschaft zusammen. Nach dieser Zeit kehrte er mit seiner Familie, die durch 3 weitere Kinder gesegnet worden war, in die Schweiz zurück.
Fritz dachte nicht daran, wieder nach Afrika auszureisen. Gott liess ihm aber keine Ruhe, und so kehrte er 1956 allein nach Tansania zurück; nach einigen Monaten liess er seine Familie nachkommen. Vor seiner zweiten Ausreise schloss er sich der Evangelischen Täufergemeinde Basel an.
In Mbalezi konnte er von einem Inder 120 a Pachtland kaufen, auf welchem eine stillgelegte Seifenfabrik stand. Das Gelände liegt verkehrsgünstig an der Hauptstrasse Kairo – Kapstadt und ist nur 12 Kilometer von der Provinzhauptstadt Mbeya entfernt.
Fritz Lehner brachte den Bewohnern nicht nur die Gute Nachricht Gottes, sondern baute auch eine Schreinerschule auf, die unter der schwarzen Bevölkerung grossen Anklang fand.
1980 erhielt das Missionswerk den Status einer autonomen, vom Staate anerkannten christlichen Gemeinde.
Aus dem kleinen Dorf Mbalezi rund um die Station ist mit der Zeit eine Stadt mit über 10’000 Einwohnern entstanden.
1970 trat Markus, der Sohn der Eltern Lehner, mit seiner Frau Hanni in den missionarischen Dienst. Mit jugendlicher Tatkraft förderten sie das wachsende Werk, das die Eltern begonnen hatten.
Durch die evangelistische Tätigkeit der Missionare, die Sonntag für Sonntag die frohe Botschaft verkündigten, zum Teil unterstützt von einem Posaunenchor, entstanden im Laufe der Jahre im weiten Umkreis von 200 km gegen 100 christliche Gemeinden, die von ansässigen Leitern und Evangelisten betreut werden.
Viele der neu entstandenen Gemeinden sind nun selbst evangelistisch tätig. In Mbalezi befindet sich das geistliche Zentrum mit der Verwaltung, einer Klinik und zwei Handwerkerschulen. In diesen Schulen werden während einer dreijährigen Lehre Schreiner und Automechaniker ausgebildet. In drei Aussengemeinden stehen weitere 60 Lehrplätze für Schreiner zur Verfügung.
Die Sekundarschule von Mbalezi wird ebenfalls von der Mbalezi Evangelistic Church betreut. Die Schule wurde erneut ausgebaut und kann heute 700 Schüler aufnehmen. Zur Zeit werden Schlafstätten für diejenigen Schüler errichtet, die weit entfernt von der Schule wohnen.
Die Mission führt auch ein Jugend- und Gemeindezentrum, das Konferenzräume, Gästezimmer und ein Restaurant enthält. Darin wurde auch ein Buchladen eingerichtet. Es heisst „Karibuni“, was auf Deutsch so viel wie „Willkommen“ bedeutet.
Im Laufe der Zeit konnte die Mission noch eine ca. 60 Hektaren grosse Farm erwerben. Sie liegt 15 km südlich der Missionsstation und enthält Äcker, viel Weideland und etwas Wald. Auf diesem Farmgelände wurde eine Bibelschule errichtet. Zur Zeit werden hier 25 Bibelschüler unterrichtet. Die Schülerzahl ist im Steigen begriffen.
Der Frauenarbeit im Zentrum und in den Dörfern wird viel Beachtung geschenkt. Neben christlicher Unterweisung und Andachten hören die Frauen Praxisbezogenes über Hygiene und Ernährung. Wer will, kann unter kundiger Anleitung nähen und sticken lernen.
Voll ausgelastet ist auch die Klinik. Am Morgen werden Kranke untersucht und medizinisch betreut, Wunden versorgt, Impfungen vorgenommen und was an ambulanten Behandlungen möglich ist. Die in der Missionsstation tätigen gelernten Krankenschwestern und Hebammen bilden auch medizinisches Hilfspersonal aus. Der Nachmittag ist Müttern und Kindern reserviert.
Geführt wird das gesamte Missionswerk vom „Grossen Komitee“, dem acht Afrikaner und ein Schweizer Missionar angehören.
Gott hat das Missionswerk gesegnet. Viele Eingeborene fanden durch die unermüdliche Missionstätigkeit den Glauben an Jesus Christus. Die Mbalezi Evangelistic Church zählt mit ihren vielen Aussenstationen ca. 7000 Mitglieder. Jedes Jahr werden Hunderte von Bibeln in der Landessprache Kiswaheli und verschiedenen Stammessprachen verkauft, Traktate abgegeben und gute christliche Bücher verbreitet.
Die Missionare kommen zum grösseren Teil aus unseren Gemeinden in der Schweiz und Deutschland. Das Werk unterhält enge Beziehungen zum Evangelischen Missionsdienst in Basel und Ludwigsburg. Die Mbalezi Evangelistic Church versteht sich als Partnerkirche zu den westeuropäischen Evangelischen Täufergemeinden.
c) Mission in Ghana – „Faith Evangelical Church“
Mitte 1967 besuchte Isaac Rex Noi aus Accra/Ghana (Westafrika) den Gottesdienst der Basler ETG-Gemeinde und fand dort Anschluss im Geschwisterkreis. Er war als gläubiger Christ nach Europa gekommen, um sich beruflich weiterzubilden. Bei diesem Aufenthalt bekam er den Ruf Gottes, Prediger zu werden und seinem Lande mit der Verkündigung des Evangeliums zu dienen.
Nach einem Jahr Arbeit als Hilfskraft im damaligen Bürgerspital Basel (heute Kantonsspital Basel) ging er zur Ausbildung an die Prairie Bible School in Three Hills (Provinz Alberta, Kanada). 1973 schloss er das Studium erfolgreich ab. In der Zwischenzeit hatte er bei unseren Gemeinden in Edmonton (Kanada) und Portland (USA) Eingang gefunden und war zu verschiedenen Diensten herangezogen worden.
Das Western Missionary Committee (Missionswerk der amerikanischen Täufergemeinden) sandte ihn zur Missionsarbeit nach Ghana. Isaac Rex Noi begann, zusammen mit einem Jugendfreund, mit der Haus-zu-Haus Evangelisation. Bald konnten sie eine Gemeinde gründen. Heute (1994) hat die Faith Evangelical Church über 5000 getaufte Gemeindeglieder in ca. 30 Gemeinden, die sich grösstenteils im Gebiet von Gross-Accra befinden, welches sich zunehmend zu einem bevölkerungsmässigen Ballungszentrum des Landes Ghana entwickelt.
Die Gesamtverantwortung liegt bei einem Team von vier Ältesten, zu dem auch Isaac gehört. Die Gemeinden werden in der Regel durch zwei Pastoren geleitet. Von Anfang an trat die Gemeinde stark nach aussen, mit Strassenversammlungen, Evangelisationsmärschen in Stadtvierteln und mit verschiedenen sozialen Hilfswerken. Isaac hielt die Gemeindeglieder immer an, von ihrem Wenigen an Arme zu geben. Mit der Hilfe von kanadischen Geschwistern gründeten sie eine Volksschule, die sich grosser Beliebtheit erfreut. Die Gemeinde betreibt eine „Klinik“, die Kranken, sowohl Gemeindegliedern wie Aussenstehenden, Betreuung zu günstigen Bedingungen anbietet. Die Genossenschaft „HILFE“ unterstützt die Klinik mit Medikamentenlieferungen aus der Schweiz. Der EMD Basel und Ludwigsburg leisten Beiträge an die evangelistische Tätigkeit der Mission.
Die Gemeinde in Ghana geht einen schweren Weg. Vor gut 10 Jahren geriet dieses einmal blühende Land in eine tiefe wirtschaftliche Krise, von der es sich bis heute nicht mehr erholt hat. Einige Jahre später wurde Ghana von einer Dürrekatastrophe heimgesucht. Eine Hungersnot folgte.
Die Regierung ist heute auf einem pro-islamischen Kurs und begegnet den christlichen Gemeinden mit deutlicher Reserve.
d) Mission in Papua Neu Guinea – „Tiliba Christian Church“
Neu Guinea ist eine riesige Insel, ein kleiner Kontinent, welcher dem Norden von Australien vorgelagert ist. Der östliche Teil nennt sich Papua New Guinea und ist ein eigener Staat, währenddem der westliche Teil zu Indonesien gehört.
Papua Neu Guinea umschliesst eine Landfläche von 462’000 km2. In diesem Land leben 2,9 Millionen Menschen, die in 1000 Stämmen 700 verschiedene Sprachen sprechen. Die Landessprache ist Pidgin Englisch. Die Hauptstadt ist Port Moresby.
Vic und Elsie Schlatter, die in den USA wohnten, wurden von Gott berufen, in Papua Neu Guinea als Missionare zu wirken. 1961 kamen sie mit ihren vier kleinen Kindern in die abgelegenen Berge von Papua Neu Guinea. Vic – von Beruf Chemiker – sah seine Aufgabe darin, die Bibel in eine Stammessprache zu übersetzen und auf dem Fundament des Wortes Gottes Gemeinden zu bauen. Seine Frau Elsie hatte schon seit vielen Jahren die Gewissheit, dass Gott sie dazu gebrauchen wollte, „das Wort denen zu bringen, die es noch nie gehört hatten“.
In Papua Neu Guinea angekommen, trafen sie auf Eingeborene, die buchstäblich noch im Steinzeitalter lebten und gerade die ersten Kontakte mit der modernen Kultur des 20. Jahrhunderts erlebten. Für viele von ihnen waren die Fahrwerke des kleinen Flugzeugs, mit dem Vic Schlatter auf der holprigen Piste landete, die ersten Räder, die sie je gesehen hatten.
Nachdem Vic und Elsie Informationen von der Regierung und anderen Missionswerken zusammengetragen hatten, liessen sie sich im Stamm der WAOLA nieder und begannen sofort die Stammessprache zu lernen. So schnell wie möglich übersetzte Vic einzelne Bibelverse, und schon nach wenigen Monaten nahmen Häuptlinge aus der Umgebung diese übersetzten Verse in ihre Dörfer zurück, damit ihre Leute sie auswendig lernen konnten. Innerhalb von drei Jahren kamen 200 Eingeborene zum Glauben an Jesus Christus.
Gott hat den grossen Einsatz der Brüder und Schwestern, welche das Missionswerk durch finanzielle Mittel oder durch persönliche Hilfeleistungen unterstützten, reich gesegnet.
Zu Beginn des Jahres 1993 zählte man 65 Ortsgemeinden mit ca. 5000 Mitgliedern, 120 Lehrbrüdern und 24 Ältesten.
Seit Beginn der Tätigkeit war es ein Anliegen der Missionsarbeiter neben dem „geistlichen“ Auftrag, sich auch für die Verbesserung des Gesundheitswesens und der Schulen einzusetzen.
Ein einfaches Spital wurde in Nipa eröffnet, welches lange Zeit vom Western Missionary Committee mitfinanziert wurde. Nachdem amerikanische und kanadische Krankenschwestern dort 15 Jahre gearbeitet hatten, wurde die Leitung vor wenigen Jahren an die Einheimischen abgegeben. Auch wurden in weiter entlegenen Gebieten einige kleine Ambulanzstationen eingerichtet, die heute von einheimischem Krankenpflegepersonal betreut werden. Die Säuglingssterblichkeit konnte durch eine systematische Schulung der Bevölkerung deutlich gesenkt werden.
Die Sprache, welche der Waola-Stamm spricht, nennt sich „Angal Heneng“. Diese Sprache ist noch nie schriftlich festgehalten worden. Vic und Elsie erlernten die Stammessprache, entwickelten ein einfaches phonetisches Alphabet und begannen zum erstenmal in der Geschichte, diese Sprache aufzuschreiben.
Ein wirkungsvolles Alphabetisierungs-Programm wird nun durchgeführt, welches seit 1991 gemeinsam durch den EMD Basel und EMD Ludwigsburg mitfinanziert wird. Das Ziel des Programms: Jedem interessierten Mitglied des Waola-Stamms die Möglichkeit zu bieten, seine Muttersprache lesen und schreiben zu lernen. Die Eingeborenen sollten in die Lage versetzt werden, das von Vic in ihre Stammessprache übersetzte Neue Testament zu lesen. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben durch das Alphabetisierungs-Programm über 1000 Dorfbewohner gelernt, die Sprache Angal Heneng zu lesen und zu schreiben.
5. Die geistliche Betreuung der Jugend
Der Zweite Weltkrieg hatte einschneidende Änderungen im gesellschaftlichen Umfeld zur Folge. Die Moral sank durch den brutalen Krieg. Die Menschen wurden verunsichert und fragten, warum Gott diesen schrecklichen Krieg zugelassen hatte. Der christliche Glaube wurde von vielen in Frage gestellt.
Neue Weltanschauungen entstanden, die viele Anhänger fanden.
Der „Existenzialismus“ verneinte jeden Sinn des Lebens. Der Mensch müsse mit der Tatsache fertig werden, dass das Leben keinen Sinn hat. Er müsse sich selber einen Sinn geben, nur so könne er das Leben ertragen.
Später waren es die Anschauungen der Neuen Linken, welche die Jugend faszinierte: „Der Mensch ist gut, die Gesellschaft aber ist schlecht. Die Gesellschaft muss verändert werden. Die Familie ist abzulehnen, diese unterdrückt die heranwachsenden Kinder. Überhaupt ist jede Autorität in Frage zu stellen. Die Sexualität soll frei ausgeübt werden.“ Höhepunkt dieser Bewegung waren die 1968er Jahre.
Zu Beginn der 80er Jahre breitete sich in Amerika und im Westen von Europa die Bewegung des New Age aus, welche stark von fernöstlichen Gedanken geprägt war: „Gott ist in uns, wir sind göttliche Wesen. Durch Meditation finden wir den Zugang ins Innere und damit den Zugang zu Gott“.
Die neuen Weltanschauungen haben vor allem bei der Jugend Anklang gefunden. Die geistliche Betreuung der Jugend wurde zur Überlebensfrage unserer Gemeinden.
a) Biblischer Unterricht
Die Bedeutung des biblischen Unterrichts für Kinder und Jugendliche wurde schon im letzten Jahrhundert erkannt. Aus dem Jahre 1839 sind Regeln über die Sonntagsschule erhalten. 1843 wurde in Zürich der Beschluss gefasst, die Jugendlichen nicht mehr in den Konfirmandenunterricht der Landeskirche zu senden. Unsere Gemeinden mussten sich aber damals der Behörde gegenüber verpflichten, einen gleichwertigen Ersatz für unsere Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren einzurichten. Seit 1874, dem Inkrafttreten der revidierten Bundesverfassung, besteht dieser Zwang nicht mehr. Trotzdem ist diese Unterrichtsstufe bis heute in den meisten Gemeinden erhalten geblieben.
In grösseren Gemeinden wurde mit der Zeit die Sonntagsschule in Altersstufen aufgeteilt, um den Bedürfnissen der Kinder besser gerecht zu werden.
Kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges befasste man sich auch an Ältesten- und Brüderversammlungen mit der Betreuung der Jugend.
An der Brüderversammlung vom 30. April 1946 in Zürich, an welcher 270 Teilnehmer anwesend waren, wurde ein besonderes Traktandum dem Sonntagsschulunterricht gewidmet.
Die Bedeutung eines auf der Bibel basierenden Kinder- und Jugendunterrichtes für die Beziehung der Kinder zu Gott wurde betont. Man war sich einig, dass die Geschwister, welche die Kinder unterrichten, sich der Kinder mit Liebe und Geduld annehmen sollten. So wie Jesus Christus die Kinder geliebt hat, sollen auch sie die Kinder lieben. Nur Brüder und Schwestern, welche Gott mit der Gabe für diesen Dienst ausgerüstet hat, sind einzusetzen. Der Unterricht der Kinder und Jugendlichen könne wirksam unterstützt werden, wenn die Eltern ihren Kindern durch ihren Wandel ein Vorbild seien. Auch die Gemeinde solle den Kinderunterricht durch Gebet unterstützen.
Im Jahr 1949 fand in der Schweiz die erste Zusammenkunft der Sonntagsschullehrer statt, an welcher Erfahrungen ausgetauscht wurden. Erst 1957 folgte die nächste Tagung.
Mit der Zeit wurden diese Zusammenkünfte jährlich durchgeführt. Man beschränkte sich an diesen Tagungen nicht nur auf den Erfahrungsaustausch, sondern bemühte sich, die Weiterbildung der Sonntagsschullehrer zu fördern.
1970 wurde das Sonntagsschullehrer-Komitee gegründet. Dieses organisiert seither die Zusammenkünfte der Sonntagsschullehrer.
b) Jugendgruppen
Sonntagsschule und „Unterricht“ begleiten den Jugendlichen bis zum Ende der Schulpflicht. Für die meisten Schüler endet die obligatorische Schulpflicht mit dem 15. Altersjahr.
Von diesem Alter an waren die Jugendlichen in unseren Gemeinden in religiöser Erziehung sich selbst überlassen. Im Alter von 15 bis 20 Jahren sind die Jugendlichen infolge der Pubertät besonders kritisch und verletzlich. Sie stehen mitten im Ablösungsprozess von den Eltern. Die Anschauungen und religiösen Überzeugungen der Eltern werden kritisch beurteilt. Man sucht selbst nach einer eigenen Überzeugung. Der Kontakt mit Gleichaltrigen wird wichtig.
Jugendgruppen bildeten sich schon in den 50er Jahren, aber nicht immer mit Einwilligung der Gemeindeleitung. Anfänglich wurden vielerorts die Jugendgruppen als Sondergruppen betrachtet, welche die Einheit der Gemeinde bedrohen.
Heute sind sie zum festen Bestandteil der Gemeinde und des Gemeindelebens geworden. An manchen Orten helfen sie bei der Gottesdienstgestaltung mit.
Im April 1978 haben sich Verantwortliche der Jugendarbeit aus verschiedenen Gemeinden erstmals in der Lindenwiese zu einer Aussprache getroffen. In der Folge wurde das Jugendkomitee gegründet, welches regelmässige Treffen der Jugendgruppenleiter organisiert. An diesen Zusammenkünften werden Erfahrungen ausgetauscht und aktuelle Fragen der Jugendarbeit behandelt.
c) Jungschar und Teenagerclub
In den 80er Jahren haben sich in der Jugendarbeit weitere Zweige entwickelt.
In Jungscharen werden Kinder von ca. 6 – 12 Jahren durch gemeinsame Erlebnisse im Freien, in Spiel und Kameradschaft zu Gott hingeführt. Diese Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, den jungen Menschen ganzheitlich, nach Leib, Seele und Geist, zu erfassen und zu begleiten. In vielen Täufergemeinden ist diese Arbeit im Gemeindeleben integriert.
Als jüngstes Kind im Bereich Jugendarbeit gewinnt der Teenagerclub vermehrt an Bedeutung. Jugendliche im Alter von 13 – 16 Jahren durchleben eine stürmische Entwicklung. An die Leiter dieser Gruppen werden hohe Anforderungen gestellt. Sie haben die Jugendlichen auf einfühlsame Art zu begleiten, abwechslungsreiche Programme zu gestalten und vorsichtig zwischen Führen und Loslassen abzuwägen.
Die Gemeinden haben die Wichtigkeit dieser Aufgaben erkannt und unterstützen durch Kurse und Tagungen diesen Dienst.
Beide Arbeitszweige werden in der Schweiz vom BESJ (Bund Evangelischer Schweizer Jungscharen) betreut, arbeiten jedoch gemeindebezogen.
d) Ferienlager
Ferienlager „CREDO“ Im Jahre 1947 organisierten unsere Gemeinden in den USA das erste „Camp“ in Lake Bloomington, Illinois. Henri Michel aus Schlieren war Mitinitiant dieser Neuerung. Seither führen die Gemeinden in den USA jährlich einige Camps durch. Sie werden von Interessierten aller Altersstufen besucht. Vor allem werden sie geschätzt, weil ganze Familien daran teilnehmen können.
Angeregt durch die guten Erfahrungen mit dem Camp in den USA brachte Henri Michel den Gedanken zur Schaffung von Ferienlagern in die Schweiz. Im Unterschied zu den U.S. Camps war hier jedoch das Bedürfnis nach Ferienlagern für Kinder und Jugendliche zu möglichst günstigen Preisen vorhanden.
Das erste Lager für Kinder und Jugendliche fand vom 6. – 13. August 1949 unter der Leitung von Hermann Woerlen, Schlieren, im „Knobelhaus“ in Mühlehorn oberhalb des Walensees statt. 30 Personen nahmen am Lager teil.
Dieser erste Versuch war ein Erfolg. Die Zahl der Interessierten wuchs. So entschloss man sich, diese Ferienlager jeweils im Sommer durchzuführen. Allerdings war es schwierig, für die nun grosse Zahl von Teilnehmern – bis über 200 – geeignete Räume für einige Wochen im Sommer zu finden. Dank der finanziellen Hilfe einiger Geschwister konnten ganze Hotel gemietet werden, so unter anderem in Langwies, Engelberg, Davos und Leysin.
Schon ab dem zweiten Lager 1950 in Langwies stand fest, das die Institution „CREDO“ heissen soll (lat. = „ich glaube“ oder „Glaubensbekenntnis“).
Die Gewinnung geeigneter Leiter war oft nicht leicht. Seit 1952 übernahmen Lucien und Gritli Mayor aus Nancy (Frankreich) die Leitung der Lagerwochen. Lucien starb im Oktober 1964, nachdem die Saison für dieses Jahr abgeschlossen war. Er hinterliess eine grosse Lücke, hat er es doch verstanden, die Jugendlichen auf eine zeitgemässe Art anzusprechen und viele zu Jesus zu führen. Seine Frau „Tante Gritli“ übernahm die Verantwortung der Lager während den folgenden 7 Jahren.
Da es immer schwieriger wurde, jedes Jahr ein zweckmässiges Haus zu finden, wuchs der Wunsch nach einem eigenen Besitz. Unter der Führung Gottes gelang es, das Schlosshotel Unspunnen in Wilderswil, Berner Oberland, zu günstigen Bedingungen zu erwerben und dank grosszügigen Legaten zu finanzieren.
1961 wurde der „Verein Credo Schloss Unspunnen“ gegründet. Der erste Vorstand setzte sich aus den Brüdern: Paul Geistlich, Albert Woerlen, Albert Märki, Ernst Brütsch und Lucien Mayor zusammen. An der Eröffnungsfeier des jetzt „CREDO“ genannten Hauses im nächsten Jahr, betonten die Gründer, dass Kinder und Jugendliche aus allen Kreisen aufgenommen werden sollten, preisgünstig oder – wenn nötig – unentgeltlich. Nebst dem gesunden Urlaub in der Bergwelt werde den Teilnehmern vor allem das Evangelium von Jesus Christus auf unaufdringliche Weise angeboten.
Das über die Jahre mit vielen Spenden renovierte „Evangelische Ferienhaus CREDO“ gehört heute zum Verband der Christlichen Hotels VCH und stellt seine Räumlichkeiten ausserhalb der Ferienzeit für Bibelwochen, Schulungen und Gemeindeanlässe zur Verfügung.
Evangelisches Freizeitheim „Lindenwiese“ Die um 1870 in Billafingen (Deutschland) entstandene Evangelische Täufergemeinde erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg ein kontinuierliches Wachstum. 1960 wurde der „Verein Evangelisch Taufgesinnter“ mit Sitz in Bambergen (Überlingen) gegründet. Die Gottesdienste wurden in Privathäusern abgehalten.
Wegen des weiteren Wachstums der Gemeinde erschien es den Mitgliedern Ende der sechziger Jahre notwendig, ein eigenes Versammlungshaus zu bauen. Es entstand der Gedanke, dieses geplante Versammlungshaus mit einem Freizeitheim zu verbinden, in welchem Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Ferien unter Gottes Wort ermöglicht werden sollte.
Edwin Bär, der dieses Projekt mit sehr viel Engagement vertrat und in verschiedenen Täufergemeinden vorstellte, fand vielerorts Zustimmung, so auch in der Gemeinde Zürich, wo sich Heinrich Kunz bereit erklärte, die gesamte Planung durchzuführen.
Da die Behörden die Baubewilligung anfänglich nicht erteilen wollten, schien es unmöglich, dass dieser Bau erstellt werden konnte. Edwin Bär hatte einen unerschütterlichen Glauben, dass Gott den Weg ebnen würde. So war es eine grosse Freude, als die Bewilligung zum Bau dieses Hauses in schöner, ländlicher Umgebung doch erteilt wurde. Das von Edwin Bär zur Verfügung gestellte Grundstück trägt den Flurnamen „Lindenwiese“.
Im Juni 1970 erfolgte der erste Spatenstich, im November 1971 das Richtfest und am 13. August 1972 fand die Einweihungsfeier mit ca. 700 Festgästen statt. Viele Freiwillige aus unseren Gemeinden, aber auch aus nordamerikanischen Mennonitengemeinden erbrachten grosse Leistungen. Die finanzielle Last wurde von den evangelischen Täufergemeinden der Schweiz und Deutschland getragen.
Weil die Ortsgemeinde ständig wuchs und auch die Anzahl der Gäste zunahm, drängte sich Ende der 80er Jahre ein Erweiterungsbau der „Lindenwiese“ auf.
Nach dem Motto, „wir bauen gemeinsam“, wurde im März 1992 der erste Spatenstich vorgenommen, und im Herbst war Richtfest des Erweiterungsbaus. Der Um- und Ausbau konnte bis zur Einweihungsfeier am 20. Juni 1993 termingerecht fertiggestellt werden. Viele freiwillige Helfer haben zum guten Gelingen beigetragen.
Die neuen Gemeinderäume leisten nun einen wesentlichen Beitrag zur Entflechtung von Ortsgemeinde und Freizeitbetrieb. Die Cafeteria verleiht dem Haus eine besondere Atmosphäre. Sie wird von den Gästen und der Gemeinde sehr gut aufgenommen. Auch die übrigen Baumassnahmen tragen zu einem angenehmen Aufenthalt im Freizeitheim bei.
Das Haus dient als Ferienort für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Daneben finden Konferenzen, Gemeindeanlässe und zahlreiche andere christliche Veranstaltungen statt.
6. Predigtdienst
Die biblische Botschaft wird in unserer Gemeinschaft grösstenteils durch Laien verkündigt. Unter Laien versteht man Prediger, die keine theologische Ausbildung durchlaufen haben; in den Evangelisch Taufgesinnten Gemeinden werden sie als „Lehrbrüder“ bezeichnet. Der Predigtdienst wird, wie viele andere Dienste, nebenberuflich ausgeübt.
Der Auswahl qualifizierter Lehrbrüder wurde immer grosse Bedeutung zugemessen.
An der Tagung der Ältesten und Lehrbrüder vom 23. Februar 1957 wurde eingehend über den Predigtdienst diskutiert. Die Wortverkündigung dürfe nur Brüdern anvertraut werden, welche dafür begabt seien. Die Begabung allein genüge aber nicht. Wichtig sei die Stellung des Bruders vor dem Herrn. Demut und Liebe zum Herrn seien wichtig. Unermüdliches Forschen in der Schrift und ein inniges Gebetsleben seien Voraussetzungen, damit das Evangelium in der Kraft des Geistes verkündigt werden könne.
Um die Bedürfnisse der Zuhörer zu kennen, müsse der Lehrbruder auch zur Seelsorge bereit sein.
In den meisten Gemeinden werden Brüder, welche für diesen Dienst in Frage kommen, für einen gewissen Zeitraum provisorisch eingesetzt. Nach Ablauf des Provisoriums entscheidet die Gemeinde durch Abstimmung, ob die betreffenden Brüder definitiv für die Wortverkündigung eingesetzt werden sollen oder nicht.
1967 stellte das Evangelisationskomitee einen Austauschplan für die Lehrbrüder auf. Neben ihrem Dienst in der Heimatgemeinde werden sie in bescheidenem Rahmen verpflichtet, in anderen Gemeinden unserer Denomination zu predigen. Der Lehrbrüderaustausch hat von jeher stattgefunden; er wurde aber von nun an planmässig durchgeführt.
Die Frage der Weiterbildung der Lehrbrüder ist in den Anfängen unserer Denomination ein immer wiederkehrendes Thema. Schon im Jahre 1839 kamen jeweils die Lehrbrüder am ersten Montag des Monats im „Rohr“ (in der Nähe von Rümlang/ZH) zusammen, um Fragen im Zusammenhang mit der Wortverkündigung zu besprechen.
Der Schritt zu einer spezifischen Ausbildung der Lehrbrüder, wie es der Gründer unserer Gemeinschaft angeregt hatte, wurde leider nicht gewagt. In der Folgezeit beschränkte man sich auf den Erfahrungsaustausch.
An der Zusammenkunft der Lehrbrüder im Jahr 1957 wurde nun der Wunsch nach einer bescheidenen Ausbildung geäussert.
In verschiedenen Gemeinden wurden Versuche unternommen, die Lehrbrüder durch Kurse zu fördern.
Erst der Bund (vergl. Kapitel 7) schuf systematisch aufgebaute Weiterbildungskurse, die auf die besondere Situation der berufstätigen Laien Rücksicht nehmen.
Sollen wir überhaupt am Laienpredigertum festhalten?
An der Ältestentagung vom 3. November 1984 äusserte ein Bruder wegleitende Gedanken zum Laienpredigertum. Er formulierte dazu zwei wichtige Grundsätze:
Wenn wir der Bibel und unserem täuferischen Erbe treu bleiben wollen, müssen wir am Laienpredigertum festhalten.
Wenn wir in unserer Kultur eine lebendige und missionarische Gemeinde sein wollen, brauchen wir für unsere Lehrbrüder dringend biblisch-theologische Ausbildung.
Der Lehrbruder braucht ein klares Selbstverständnis. Er ist nicht der allwissende Spezialist, der auf alle Fragen der Lehre und des Lebens immer die richtige Antwort hat. Er ist ein Bruder unter Brüdern, der gemäss seiner Gabe zusammen mit anderen einen Dienst in der Gemeinde erfüllt.
Brauchen unsere Gemeinden neben den Lehrbrüdern noch Theologen, also Mitarbeiter mit einer vollen theologischen Ausbildung, welche die alten Sprachen beherrschen, Einblick in die Kirchengeschichte haben und theologische Probleme in ihrem weiteren Umfeld differenziert analysieren können?
Ja! Ihre Aufgabe ist aber nicht nur der Predigtdienst; sie sollten für die Schulung der Lehrbrüder, der Sonntagsschullehrerinnen und -lehrer und der Jugendleiterinnen und -leiter eingesetzt werden. Als Theologen könnten sie die Ortsgemeinden in besonderen Fragen beraten und am Aufbau neuer Gemeinden behilflich sein.
7. Bund der Evangelischen Täufergemeinden (ETG)
Unsere Gemeinden besassen bis zur Gründung des Bundes kein übergeordnetes Organ. Wohl trafen sich die Ältesten der westeuropäischen Gemeinden in periodischen Abständen, um wichtige Anliegen zu besprechen. Ein Ausschuss der Ältesten besorgte die Vorbereitung dieser Konferenzen und war für das Protokoll verantwortlich.
Da die Aufgaben in unseren Gemeinden immer zahlreicher wurden, erkannte man die Notwendigkeit, ein übergeordnetes Organ zu schaffen, welches die Gemeinden unterstützen könnte.
Dieses Organ sollte auch für die Vertretung unserer Gemeinden nach aussen zuständig sein. Durch dieses Organ könnten ebenso die verschiedenen Institutionen unserer Gemeinden, wie „CREDO“, Evangelischer Missionsdienst, „HILFE“ usw., wie auch die in den letzten Jahren gebildeten Komitees, besser koordiniert werden.
An der Zusammenkunft der Ältesten vom 10. März 1984 in Bern, wurde beschlossen, den „Bund der Evangelischen Täufergemeinden“ zu gründen. Die eigentliche Gründungsversammlung fand am 1. Juni 1985 in Zürich statt.
Mitglieder des Bundes können alle europäischen Ortsgemeinden der ETG sein.
Die Organe des Bundes (Rechtsform Verein) sind die Bundeskonferenz, die Bundesleitung und die Kontrollstelle.
Die Bundeskonferenz setzt sich aus den Ältesten, den Delegierten der Einzelgemeinden und den Vertretern der Institutionen zusammen. An der jährlich mindestens einmal stattfindenden Bundeskonferenz werden nebst den statutarischen Geschäften (Jahresbericht, Rechnungsabnahme, Krediterteilung, Wahlen) jeweils auch aktuelle, die Gemeinden betreffende Themen behandelt.
Die Bundeskonferenz wählt aus ihrer Mitte 8 bis 12 Brüder in die Bundesleitung. Mindestens die Hälfte der Mitglieder sollen Älteste sein. Die an der Gründungsversammlung gewählten Mitglieder der Bundesleitung bestimmten Hans Bräker zu ihrem Präsidenten.
Die Bundesleitung vertritt den Bund nach aussen. Sie soll zudem die Ortsgemeinden fördern. Eine wichtige Aufgabe ist die Weiterbildung von Ältesten, Lehrbrüdern, Sonntagsschullehrerinnen und -lehrern sowie Jugendleiterinnen und -leitern. Sie soll Mithilfe leisten bei der Gründung von neuen Lokalgemeinden. Auch Evangelisation und Mission ist ihr wichtig.
Ein teilzeitlich geführtes Sekretariat steht der Bundesleitung zur Verfügung.
Die vielfältigen Aufgaben der Bundesleitung konnten bald nicht mehr nebenamtlich erledigt werden. Ein vollzeitlich angestellter Mitarbeiter mit gründlicher theologischer Ausbildung wurde benötigt. An der Bundeskonferenz vom 20. Juni 1987 in Bern wurde die Schaffung einer entsprechenden Stelle beschlossen.
Seither nahmen die Aufgaben ständig zu, so dass auch der Mitarbeiterstab erweitert werden musste.
Der Gemeindebau ist zum grossen Anliegen geworden. Unsere Denomination hat gesamthaft gesehen ein relativ kleines Wachstum erlebt. Wohl konnten einzelne Gemeinden in den letzten Jahrzehnten einen erfreulichen Zuwachs verzeichnen, wofür wir Gott sehr dankbar sind. So haben nahezu alle Gemeinden ihre Versammlungshäuser neu gebaut oder wesentlich erweitert.
Andererseits hat die Zahl der Gemeinden abgenommen. Kleinere Gemeinden und Stubenversammlungen mussten geschlossen werden. Solche Zellen sind jedoch äusserst wichtig. Die meisten Gemeinden haben einmal mit Hauskreisen und Kleinversammlungen begonnen.
Der Inlandmission, einem Arbeitszweig des Bundes, wurde die Aufgabe übertragen, die Gründung und den Bau von Gemeinden zu fördern, um so den Menschen an ihrem Wohnort das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen.
8. Die heutigen Strukturen der ETG
Aus den anfänglich einfachen Strukturen unserer Denomination ist ein verzweigtes Netz geworden. Seit 1950 ist eine ganze Anzahl eigenständiger Werke entstanden, die heute mit dem Bund ETG koordiniert sind. Nachfolgend eine Zusammenfassung (stichwortartig):
Bund der Evangelischen Täufergemeinden, gegründet 1985
Der Bund umfasst 22 Gemeinden in der Schweiz
10 Gemeinden in Deutschland
3 Gemeinden in Frankreich
Mitgliederzahl: ca. 2500
Seit 1990 Mitglied des Verbandes der evangelischen Freikirchen und Gemeinschaften in der Schweiz (VFG).
Genossenschaft „HILFE“, gegründet 1921 karitatives-soziales Hilfswerk, die Umwandlung in eine Stiftung ist vorgesehen, Jahresversammlung ist offen für alle Interessierten, in den USA parallele Organisation mit Namen „AID“
Evangelischer Missionsdienst, „EMD“, gegründet 1955 fördert die Mission weltweit, Verein, Vorstand setzt sich zusammen aus regionalen Gemeindevertretern, die Jahresversammlung ist offen für alle Interessierten, seit 1991 ein angestellter Sekretär, finanziell und persönlich werden rund 100 Missionare (ganz oder teilweise) unterstützt
„CREDO“ Evangelisches Jugendlager, Verein gegründet 1961 Verein, unterhält in Wilderswil (Schweiz) ein Ferienheim
Evangelisches Freizeitheim „Lindenwiese“, gegründet 1972 Verein, unterhält in Überlingen-Bambergen (Deutschland) ein Freizeitheim
Inlandmission von der Bundeskonferenz gewählte Kommission des Bundes ETG zur Förderung von Gemeindebau und Gemeindewachstum, finanziell dem Bund ETG angeschlossen, bietet Tagungen, Kurse, Vorträge und Mithilfe bei Gemeindegründungen an
Sonntagsschullehrerkomitee finanziell eigenständiges Komitee, fördert den Kontakt unter den Sonntagsschullehrerinnen und -lehrern, vermittelt Unterrichtsstoff, organisiert Fortbildungskurse
Jugendkomitee (JUKO) finanziell eigenständiges Komitee innerhalb des Bundes ETG, fördert die Jugendarbeit, bietet den Jugendgruppen Beratung und Weiterbildung an, organisiert Jugendtagungen zu ausgewählten Themen, spezielle Kommission für Teenagerarbeit
Teenagerclubs und Jungscharen sind in der Regel dem „Bund Evangelischer Schweizer Jungscharen“ (BESJ) angeschlossen.
Bibelschülerkomitee, gegründet März 1981 von der Bundesleitung gewählte Kommission mit folgenden Aufgaben:
Beratung der Interessenten und Absolventen von Bibelschulen,
Begleitung von vollzeitlichen Mitarbeitern in den Gemeinden,
Organisation von entsprechenden Tagungen
Verlagskommission
von der Bundesleitung gewählte Kommission mit folgenden Aufgaben:
Herausgabe des „Freuet Euch INFO“
Herausgabe von Schriften, Broschüren, Prospekten des Bundes
Herausgabe der gemeindeeigenen Gesangsbücher.
Der Verlag führt eine eigene Rechnung, welche von der Bundeskonferenz abgenommen wird.
Kommission für Weiterbildung
von der Bundesleitung gewählte Kommission mit folgenden Aufgaben:
Durchführung von Weiterbildungskursen (Textauslegung und Verkündigung, Seelsorge, Gemeindeleitung),
Organisation von Tagungen für Laienprediger und Älteste
Begleitung eines Fernstudienprogramms (Gemeindebibelschule)
Herausgabe von einen Studienheft „Bibelstudium an der Basis“ (für Hauskreise oder Gemeindebibelstunden) pro Jahr
Im weiteren finden jährlich Ältestentagungen statt. Diese dienen sowohl der Gemeinschaftspflege, wie auch der Erarbeitung von theologischen Fragen und weiteren Aufgaben wie Seelsorge, Gemeindeleitung und Stellungnahme zu ethischen Fragen.
Um aktuelle Themen aufzuarbeiten, setzt die Bundesleitung jeweils entsprechende Arbeitsgruppen ein.
Die 5 Alters- und Pflegeheime und eine Alterssiedlung bilden eigene Körperschaften, sind jedoch den örtlichen Gemeinden angegliedert.
Wenn heute auch eine dichte Vernetzung der Aufgabenbereiche vorhanden ist und verschiedene
übergemeindliche Dienste geschaffen wurden, hat der Gemeindeverband dennoch einen föderativen Charakter behalten. Vielleicht mehr als früher haben die Gemeinden eine starke Eigenständigkeit entwickelt. Eine zentrale Führungsstruktur entspricht weniger dem biblischen Leitbild. Und trotzdem ist es notwendig, die Gemeinsamkeit zu fördern und Aufgaben, welche die Kräfte einer Einzelgemeinde übersteigen, gemeinsam anzugehen.
9. Tradition und Wandlung
Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt, hat die Gemeinschaft Evangelisch Taufgesinnter (heute die Evangelischen Täufergemeinden) im Laufe ihrer Geschichte Wandlungen erfahren.
Das Umfeld unserer Gemeinden hat sich ebenfalls verändert. Entsprechende Anpassungen waren notwendig, damit unsere Gemeinden die Menschen im gewandelten Umfeld mit der Botschaft des Evangeliums erreichen konnten.
Oft standen Traditionen der notwendigen Veränderung im Wege. Was ist Tradition und was ist unveränderliche biblische Wahrheit? Diese Frage wurde oft gestellt. Es war bestimmt zu jeder Zeit das Anliegen von gläubigen Männern und Frauen, dass Gott unsere Gemeinden nach seinem Willen führen möge. Der Glaube darf auf Gottes Führung und seine Zusagen vertrauen und sich ebenso auf Beweise göttlichen Handelns in der Vergangenheit stützen.
Absonderung und Abgrenzung
Zur Zeit der Entstehung der Evangelisch Taufgesinnten Gemeinden im letzten Jahrhundert hatte die Staatskirche einen viel grösseren Einfluss in der Gesellschaft als heute. Christen, die in ihrer Erkenntnis nicht in allen Dingen der offiziellen Lehrmeinung entsprachen, wurden bald einmal als Ketzer bezeichnet und verfolgt. Das führte zur Absonderung. In den Anfängen unserer Gemeinschaft dienten demzufolge oft abgelegene Gehöfte und Häuser als Versammlungsorte.
Fester Zusammenhalt unter den Geschwistern
Die erwähnte Abgrenzung bewirkte eine enge Verbindung unter den Geschwistern. Gegenseitige Anteilnahme und Fürsorge waren selbstverständlich. So hat sich innerhalb unserer Gemeinden eine starke soziale Tätigkeit entwickelt.
Witwen und Waisen, Kranke und sozial Benachteiligte wurden unterstützt. Das war umso notwendiger, weil die staatlichen Sozialhilfen in der damaligen Zeit ungenügend waren; eine AHV zum Beispiel kannte man nicht.
Durch den Bau von gemeindeeigenen Altersheimen (Au/ZH 1893, Bern 1909/1924, Pfäffikon/ZH 1910, Stäfa/ZH 1932, Neuhütten/D 1957) fanden ältere und behinderte Mitmenschen einen Ort der Geborgenheit. Heute sind diese Häuser den modernen Anforderungen entsprechend renoviert und teilweise durch eine Pflegeabteilung ergänzt worden. Ebenso entsprach der Raum von preisgünstigen Alterswohnungen einem grossen Bedürfnis.
Öffnung gegenüber Kirchen und anderen Gemeinschaften
Im Laufe der Zeit haben sich unsere Gemeinden gegenüber Kirchen und Gemeinschaften geöffnet. Statt Konfrontation suchen wir vermehrt die gegenseitige Verständigung. Evangelistische und soziale Tätigkeiten werden in Zusammenarbeit mit gläubigen Christen anderer Denominationen immer häufiger gepflegt.
Politische Ämter
Hatten früher Mitglieder unserer Gemeinden Hemmungen, politische Ämter zu bekleiden, so ist man heute der Ansicht, dass die Mitarbeit in öffentlichen Diensten und politischen Ämtern notwendig sei, um auch hier christliches Gedankengut einzubringen.
Ausgebaute Gemeindestrukturen
Während früher nur lose, einfache Strukturen bestanden, sind wir vermehrt zur organisierten Gemeinde geworden.
Dieser Strukturwandel ist notwendig geworden durch die erweiterten Aufgabenbereiche in Jugendarbeit, Mission und Evangelisation. Auch an die Gemeindeleitung und an die Gottesdienstgestaltung werden höhere Ansprüche gestellt.
Liedergut
Unser Liederbuch, die „Zionsharfe“, ist zwischen 1828 und 1854 entstanden und später ins Ungarische, Serbische, Rumänische und Englische übersetzt worden. In 12 Auflagen erfuhr sie nur geringe Veränderungen. 1974, also nach 120 Jahren ihrer Entstehung, wurde sie revidiert. Selten gesungene Lieder wurden ausgeschieden und neue Lieder aufgenommen. Man glaubte, mit dieser Revision den gewandelten Bedürfnissen gerecht geworden zu sein.
Heute werden jedoch in den meisten Gemeinden neben der Zionsharfe noch zusätzliche Liederbücher benützt, die vor allem die Anbetung und den Lobpreis Gottes in den Mittelpunkt stellen und mit ihren neuen, frischen Melodien Anklang finden.
Das „Lange Heftli“, ein weiteres traditionelles Liederbuch der ETG, scheint heute wieder neu entdeckt zu werden. Eine Neuauflage drängte sich vor einigen Jahren auf.
Dem Gesang wurde von jeher in unseren Gemeinden grosse Beachtung geschenkt. Er verbindet und belebt und dient der gemeinsamen Anbetung Gottes.
1. Die Anfangszeit (1830-1860)
Die theologischen Wurzeln der ETG sind vierfach:
a) Eine erste Wurzel ist in der evangelisch-reformierten Tradition zu suchen. Ihr Begründer, Samuel Heinrich Fröhlich, war ein schweizerischer evangelisch-reformierter Pfarrer. Die reformatorischen Schwerpunkte allein die Schrift, allein die Gnade, allein der Glaube, sind auch in der Tradition der ETG grundlegende Wahrheiten.
b) Historisch gesehen liegen die Ursprünge der ETG in der Erweckungsbewegung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dies ist die zweite Wurzel. Die Erweckungsbewegung kann folgendermassen charakterisiert werden:
- Die Betonung der persönlichen Bekehrungserfahrung als eine tiefgreifende Kehrtwendung im Leben.
- Betonung von Mission und Evangelisation.
- Ablehnende Haltung gegenüber dem theologischen Liberalismus des 19. Jahrhunderts.
- Damit verbunden oft auch eine grundsätzliche Distanzierung von aller theologischen Gelehrsamkeit.
c) Durch den Kontakt mit den Mennoniten (Alttäufer) wurde die täuferisch-freikirchliche Tradition zu einer dritten Wurzel. Der Begriff ‚täuferisch‘ weist auf die ‚Täuferbewegung‘ der Reformationszeit zurück. Auch wenn für die meisten der ETG die direkten historischen Wurzeln nicht dort sind, haben sich die Evangelischen Täufergemeinden doch immer unmissverständlich als ein Zweig am Baum des Täufertums verstanden. Das spezifisch täuferisch-freikirchliche kann mit drei Stichworten umschrieben werden:
Christsein wird als Nachfolge verstanden. Es ging den Täufern über die Rechtfertigung des Sünders hinaus um eine neue Lebensgestaltung nach dem Vorbild Jesu und der Lehre Jesu (insbesondere der Bergpredigt). Kernpunkte der Ethik Jesu waren für die Täufer die Einfachheit der Lebensführung, Gerechtigkeit im Umgang mit materiellen Gütern, Barmherzigkeit, Wahrhaftigkeit und Feindesliebe.
Der zweite Schwerpunkt liegt im Gemeindeverständnis. Gemeinde war für die Täufer die sichtbare Lebensgemeinschaft der Glaubenden. Sie versuchten nach urchristlichem Vorbild eine sichtbare Kirche derer zu errichten, die freiwillig in die Christusnachfolge eingetreten waren und sich auf ihren Glauben hin taufen liessen.
Zum dritten ist das Verhältnis der Gemeinde zur Obrigkeit zu beachten. Die Täufer traten für eine staatsunabhängige Kirche ein. Frei-kirche heisst in diesem Sinn auch frei von staatlicher Bevormundung. Die Täufer versuchten, treu dem Grundsatz zu leben, dass Christus und nicht irgend eine menschliche ‚Obrigkeit‘ die höchste Autorität in ihrem Leben sei. So verweigerten sie im Konfliktfall lieber der Obrigkeit den Gehorsam (Taufe, Eid, Militärdienst, Ehefrage bei Fröhlich!), als dass sie Jesus, ihrem Herrn untreu wurden, auch wenn sie das allenfalls mit Gefängnis, Vertreibung oder Tod bezahlen mussten.
d) Die vierte Wurzel ist bei Samuel Heinrich Fröhlich, dem Begründer selbst zu suchen.
Aus der evangelischen Tradition brachte er die oben genannten reformatorischen Grundsätze mit. Als Mann der Erweckungsbewegung war er ein geistbegabter Evangelist und Missionar. Darüber hinaus stand er mit seinem freikirchlichen Gemeinde- und Taufverständnis den Täufern nahe. Eine Besonderheit des fröhlichianischen Erbes liegt aber auch in seiner etwas besonderen Tauftheologie und deren Konsequenzen. Fröhlich vertrat folgendes Taufverständnis:
Getauft sollen nur die werden, die Busse getan haben und glauben.
Für solche Menschen, und nur für solche, hat die Taufe eine (sakramentale?) Wirkung. Der Glaube schafft Vergebung der vorigen Sünden und die Taufe die Ausrottung der innewohnenden Sünde.
Die Taufe ist deshalb für Fröhlich zu einem heiligen Wandel nötig. Glaube ohne Taufe ist für ihn ebenso wertlos wie Taufe ohne Glaube.
All diese Prägungen hat Samuel Heinrich Fröhlich den Gemeinschaften in der Mitte des 19. Jahrhunderts mitgegeben: Eine evangelische Grundlage, eine täuferische Nachfolge- und Gemeindetheologie, eine erweckliche, missionarische Prägung und eine nicht unproblematische Tauflehre.
2. Bewahrung der reinen Gemeinde (1860 bis 1950)
Die geschichtliche Phase vom Tode Fröhlichs (1857) bis zum 2. Weltkrieg ist in den vorangehenden Kapiteln unter dem Stichwort Ausbreitung behandelt worden. Die Tatsache der Ausbreitung der Gemeinschaft in einige Staaten Osteuropas, nach Nord- und Südamerika und Australien darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass der missionarische Ausbreitungsdrang im schweizerisch-süddeutschen Raum sehr bald erloschen war. Die nach aussen gerichteten evangelistischen Anliegen machten nach innen gerichtete Sorgen um die Erhaltung der reinen Gemeinde Platz. Traditionsbildung und innereGemeindeordnung rückten in den Mittelpunkt. Insgesamt gerieten die ETG in diesen Jahren in eine gewisse Isolation, sowohl von der ‚Welt‘, wie auch von den anderen Kirchen und Gemeinschaften.
Das oben skizzierte, vierfache theologische Erbe entwickelte sich in dieser Phase wie folgt:
a) Die ETG blieben auch in dieser Phase grundsätzlich einem evangelisch-reformatorischen Fundament (Schrift, Gnade, Glaube) verbunden. Es kann allerdings nicht übersehen werden, dass diesesevangelische Erbe in der Praxis unter den Schatten einer teilweise ausgeprägten Gesetzlichkeit geriet. Auch eine Neigung zum Perfektionismus (Gläubige sündigen nicht mehr) ist festzustellen.
b) Auch das Erbe der Erweckungsbewegung wurde in diese Epoche der ETG-Geschichte mitgenommen. Glaubenserfahrungen (Bekehrung und Heiligung) und Frömmigkeitssprache der ETG atmeten den Geist der Erweckungsbewegung. Die erwartete Erfahrung von Busse und Bekehrung, die Frömmigkeitssprache und ganz besonders auch das Liedgut zeugen davon.
Ähnlich mancher anderer Kreise der Erweckungsbewegung blieb man auch allem Akademisch-theologischen und allem Staats- und Volkskirchlichen gegenüber äusserst skeptisch. Die missionarisch-evangelistische Dynamik der Erweckungsbewegung erlahmte jedoch schon bald nach Fröhlichs Tod. Durch das persönliche Lebenszeugnis manches Gemeindegliedes sind dennoch immer wieder Menschen zum Glauben gekommen, ein Wachstum der Gemeinden oder die missionarische Neugründung von Gemeinden ist in diesen Jahren jedoch nicht zu beobachten (zu den Gemeindegründungen durch die Umsiedlung von Flüchtlingen aus den Oststaaten siehe IV. 3. b). Von manchen Ältesten wurde gar mit biblischer Begründung vertreten, dass es nicht Aufgabe der Gemeinde sei, zu missionieren.
c) Die ETG haben sich in dieser Phase ihrer Geschichte nachweislich immer als Teil des Täufertums verstanden, auch wenn sie zu den anderen täuferischen Gruppen (Mennoniten, Baptisten) kaum Beziehungen pflegten. Von vielen Gemeindegliedern der ETG wurden aber weniger der theologische Inhalt des Täufertums (siehe oben), als vielmehr äussere, zur Tradition gewordene Erscheinungsformen als täuferische Identitätsmerkmale verstanden. So etwa das eigene Liederbuch (Zionsharfe) und der vierstimmige Gesang, die ganztägigen Versammlungen am Sonntag und das gemeinsame Mittagessen, das Laienpredigertum, oder die Tatsache, dass die jungen Männer den Militärdienst verweigerten (Deutschland, Ungarn, Rumänien etc.) oder doch zumindest nur unbewaffnet bei den Sanitätstruppen Dienst leisteten (Schweiz).
d) In dieser Phase wurden manche Elemente des fröhlichianischen Erbes, zumindest in manchen Kreisen zunehmend dominant. Lehre und Praxis von Busse, Bekehrung und Taufe entwickelten sich in eine gesetzlich fordernde Richtung. Das Glaubensleben geriet immer stärker unter perfektionistische Forderungen, denen aber kaum jemand genügen konnte. Dazu hatte die Praxis einer strikten Gemeindezucht in der Form von Ermahnung, Strafe, Ausschluss, oft ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme, viele Gemeindeglieder und Familien in grosse Not getrieben. Dazu kam eine starke Absonderung von allen Christen, die dieses Tauf- und Heiligungsverständnis nicht teilten, waren es Landeskirchen (Kindertaufe) oder erweckliche Kreise, die nur den Glauben, nicht aber die Glaubenstaufe betonten. Das führte die Gemeinde in eine exklusive, abgesonderte Stellung.
3. Aufbruch und Wandel (1950 bis 1984)
Die Jahre nach dem 2. Weltkrieg können unter die Stichworte Aufbruch undWandel gestellt werden. Dieser Aufbruch, das muss hier gleich festgehalten werden, erfasste hauptsächlich die Gemeinden in der Schweiz und zum Teil in Deutschland, Österreich und Frankreich. Die Gemeinden in den USA haben ihre eigene Geschichte gemacht, die durchaus auch von Aufbrüchen gekennzeichnet ist, hier aber nicht dargestellt werden können. In den Gemeinden der osteuropäischen Staaten (Ungarn, Rumänien, Jugoslawien), und in manchen Gemeinden Deutschlands und Österreichs konnte die Erneuerungsbewegung nicht in diesem Ausmass Fuss fassen, ja wurde oft als gefährliche Liberalisierung verstanden und abgelehnt.
Der Aufbruch hat seine äussere, sichtbare Seite:
Eine strukturierte und schnell wachsende Missionstätigkeit entstand. Gemeindeeigene Freizeiten, Bibelkurse und Tagungen wurden angeboten. Kinder- und Jugendarbeit, später auch Jungschararbeit, erhielten zunehmend hohe Priorität. Arbeitsgruppen und Kommissionen bildeten sich, um die verschiedensten Anliegen auf der Ebene des (zu dieser Zeit noch nicht organisatorisch gefassten) Gemeindeverbandes zu fördern. Kontakte zu anderen Gemeinschaften, Freikirchen und Werken entstanden. Das alte, aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts stammende Liederbuch erfuhr eine gründliche Revision. Die Gemeinden begannen auf lokaler und regionaler Ebene an übergemeindlichen Evangelisationen mitzuarbeiten. Das öffentliche Auftreten der Gemeinden veränderte sich. Die Gemeinden wollten zunehmend als anziehende, missionarische Freikirchen positiv in Erscheinung treten.
Anstelle der gelegentlich etwas verstaubt wirkenden Hinterhof- und Stubenversammlungen traten immer öfter attraktive Kapellen und Gemeindezentren. Da ist kaum eine Gemeinde, die in diesen Jahren nicht ihre Gebäude renoviert, oder gar einen Neubau verwirklicht hätte.
Dies alles, und noch viel mehr, ist der äussere Ausdruck eines tiefgreifenden geistlichen und theologischen Wandels in den ETG. Dieser innere Wandel, soll im weiteren genauer dargestellt werden und zwar wieder entlang der vier Stichworte des theologischen Erbes der ETG:
Evangelische Mitte: Der Aufbruch bedeutet in mancher Hinsicht eine Rückkehr aus gesetzlichen und traditionalistischen Tendenzen zu einer evangelischen Mitte:
Bibel und Ausbildung: Es kann ohne Zweifel von einer Wiederentdeckung der Bibel in den ETG gesprochen werden. Nicht, dass die Gemeinde in den Jahren zuvor die Bibel aus den Augen verloren hätte. In der Phase des Aufbruchs wurde aber die Prioritätenordnung von Bibel und Tradition wieder eindeutig zugunsten der Bibel korrigiert. Es wurde auch zunehmend wahrgenommen, dass ein bibelverbundenes, aber alle theologische Bildung ablehnendes Laienpredigertum, noch keineswegs einen klaren biblischen Kurs garantiert. Damit rückte die Bedeutung biblisch-theologischer Ausbildung in ein neues Licht. Bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts hinein war man aller Bibelgelehrsamkeit gegenüber äusserst skeptisch. 1957 wurde das Anliegen der Ausbildung von Lehrbrüdern erstmals an einer Ältestentagung ausdrücklich thematisiert. Ein erster Ausbildungskurs für Lehrbrüder (Prediger) in Zürich folgte. In jenen Jahren besuchten auch erstmals Personen aus den ETG Bibelschulen (anfänglich hauptsächlich Bibelschule Beatenberg). Die 60er und 70er Jahre waren dann geprägt von einem stetig zunehmenden Ausbildungshunger. Ausserhalb der ETG wurden Bibelwochen und Schulungskurse besucht. Viele junge Gemeindemitglieder besuchten Bibelschulen. Aber auch innerhalb der ETG wurden zunehmend Bibelkurse und Tagungen angeboten.
Erwecklich-missionarische Gemeinschaften und Werke: Schon in den 30er und 40er Jahren gab es eine Anzahl von Personen in den ETG, man könnte sie Reformkräfte nennen, die über die Grenzen der ETG hinaus Kontakte zu Christen erwecklich-missionarischer Gemeinschaften und Werke pflegten. Dabei ist die Bedeutung der Literatur nicht zu unterschätzen. Nicht wenige Mitglieder der ETG haben durch Bücher entscheidende geistliche und theologische Impulse erhalten, lange bevor es akzeptabel war, ausserhalb der ETG Freizeiten und Bibelkurse zu besuchen. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass der Aufbruch der ETG wesentlich durch Impulse aus erwecklich-missionarischen Werken und Gemeinden (heute würde man Evangelikalismus sagen) angeregt wurde. Das hatte seine Auswirkungen auch auf die Theologie der ETG.
Das Missionsverständnis: Mit der Öffnung gegen aussen brach ein neues Missionsbewusstsein auf. Gerade der Kontakt zu erwecklich-evangelikalen Gemeinden und Bewegungen hat in den ETG auch das eigene erwecklich-missionarische Erbe wieder wachgerufen. In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde innerhalb der ETG um ein neues Missionsverständnis gerungen mit dem Resultat einer entschiedenen Hinwendung zur Erfüllung des biblischen Missionsauftrages.
Bekehrung und Taufe: Der Aufbruch der 50er Jahre bewirkte auch hier einen theologischen Umschwung. Im Lichte der Bibel wurden manche unevangelisch gesetzlichen Tendenzen erkannt und überwunden. Vor allem im Zusammenhang mit evangelistischen Bemühungen erwiesen sich die gesetzlich engen Vorstellungen von Bekehrung, Taufe und Gemeindeaufnahme als hinderlich. Das führte weithin dazu, dass sich die Bekehrungslehre wesentlich auf die persönliche Heilsannahme des Einzelnen konzentrierte. Einen ähnlichen Wandel erfuhren Taufe und Gemeindeaufnahme. Anstelle einer eigentlichen ‚Prüfung‘ trat das Zeugnis derjenigen, die sich in die Gemeinde aufnehmen lassen wollen. Die Taufe wurde von sakramentalistischen Tendenzen befreit und nunmehr als persönliches Zeugnis und Gehorsamsschritt des Täuflings verstanden. Die früher immer strikte geschlossenen Tauf- und Aufnahmeversammlungen machten offenen Zeugnisgottesdiensten Platz. Im selben Sinn erfuhren auch Lehre und Praxis des Abendmahls eine Erneuerung. Die Lehre, dass nur getaufte Gemeindeglieder das Abendmahl einnehmen durften, machte einer Praxis Platz, wie man sie in anderen evangelikalen Gemeinden kennt: Alle Wiedergeborenen sind zum Mahl eingeladen.
Die Lehre von den letzten Dingen: Eine theologische Veränderung brachten die evangelikalen Einflüsse auch in der Lehre von den letzten Dingen (Endzeit). Eine ausführliche Beschäftigung mit Details der Endzeit, mit Themen wie Entrückung, grosse Trübsal, Antichrist, Tausendjähriges Reich und insbesondere Israel, gehörten nicht zu wesentlichen theologischen Themen der ETG-Tradition. Wohl beeinflusst durch die Kontakte zur Bibelschule Beatenberg, und später auch zur Bibelschule Brake (D) gewann die darbistische Heilszeitalterlehre (Dispensationalismus) zunehmend Raum in den ETG. Die Themen um die Endzeit wurden zu Inhalten von Predigten und Bibelfreizeiten.
Täuferische Identität: Diese Entwicklungen kosteten den ETG in dieser Aufbruchphase allerdings weitgehend ihre täuferische Identität. Eine Ablösung von manchen Traditionen, ja, von einer täuferischen Identität überhaupt, ist nicht zu übersehen. Obwohl seitens mancher Verantwortlichen immer wieder auf die Bedeutung des täuferischen Erbes der ETG hingewiesen wurde, ist für einen grossen Teil der Gemeindeglieder eine täuferische Identität beinahe bedeutungslos geworden. Diese Veränderung des Selbstverständnisses mag verschiedene Gründe haben. Täufertum wurde in der Zeit des Aufbruchs vor allem mit dem ETG-Traditionalismus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gleichgesetzt. Davon wollte man sich ja gerade lösen. Vieles, was traditionell als ‚täuferisch‘ verstanden wurde, hatte den Beigeschmack, biblisch kaum zu begründende Traditionen zu sein. Zudem standen gewisse evangelikale Tendenzen im Gegensatz zu täuferischen Schwerpunkten. Ohne sich dessen immer bewusst zu sein, wurden da und dort neue theologische Akzente gesetzt:
Nachfolge und Ethik: Die täuferische Betonung der christlichen Lebensgestaltung, verstärkt durch Fröhlichs Perfektionismus hat den ETG Gesetzlichkeit und Absonderung beschert. Davon hat man sich in der Phase des Aufbruchs langsam aber sicher gelöst. Die Heilsaneignung in der Bekehrung rückte in den Vordergrund, die Heiligung in den Hintergrund. Damit verlor auch die Gemeindedisziplin an Bedeutung. Sie erschien in einer evangelistischen Gemeinde zunehmend als ein Relikt aus alten, gesetzlichen Tagen.
Gemeindeverständnis: In der ‚alten‘ Zeit gingen die ETG-Leute am Sonntag in die ‚Versammlung‘. Der Aufbruch brachte einen Sprachwechsel. Beeinflusst von der evangelikalen Christenheit, zog man es vor, am Sonntag ‚in den Gottesdienst‘ oder ‚in die Gemeinde‘ zu gehen. Dieser Sprachwechsel signalisiert aber auch eine theologische Gewichtsverlagerung. Die Gemeinden verstanden sich zunehmend weniger als Lebensgemeinschaften, die in Absonderung von der Welt leben, sondern als eine Gruppe von individuellen, in die Welt integrierter Christen, die sich Sonntags zum Gottesdienst treffen.
Friedenszeugnis und das Verhältnis zur Obrigkeit: Die Öffnung zur evangelikalen Bewegung hin und die gleichzeitige Skepsis gegenüber dem täuferischen Erbe, hatte grosse Auswirkungen auf das bis in die 50er Jahre unbestrittene Bekenntnis zur Wehrlosigkeit. Bedenkt man, dass in den vergangenen 40 Jahren ca. 100 Personen an Schulen studiert haben, die nicht eine täuferische, sondern eine lutherisch/reformierte Staatsethik lehren, dann sollte das nicht unterschätzt werden. Der Gedanke der Wehrlosigkeit wurde immer mehr als eine seltsame täuferische Tradition verstanden. Das Obrigkeitsverständnis wandelte sich – vor allem in der Schweiz – ganz leise und unbemerkt von einer gewissen Skepsis gegenüber Obrigkeit und Armee zu einer gutbürgerlichen, eher obrigkeits- und gelegentlich armeefreundlichen Haltung. 1984 hat die Ältestenversammlung zwar nach wie vor klar den waffenlosen Militärdienst empfohlen. Die Praxis an der Basis zeigt jedoch ein anderes Bild. Längst nicht mehr alle jungen Männer folgen dieser Empfehlung.
Verabschiedung vom theologischen Erbe Fröhlichs: Vom theologische Erbe Fröhlichs bezüglich Bekehrungs- und Tauflehre haben sich die ETG in den Jahren des Aufbruchs langsam aber sicher verabschiedet. Nicht ohne Widerstand, muss gleich beigefügt werden. In manchen Kreisen erlebten Fröhlichschriften bis in die 70er Jahre hinein eine Renaissance. Insgesamt haben sich die ETG aber von der nicht unproblematischen Tauflehre Fröhlichs und dem daraus resultierenden Perfektionismus (Lehre, dass Gläubige nicht mehr sündigen) getrennt.
So weit die wichtigen theologischen Entwicklungen in der Phase des Aufbruchs, soweit sie zum vierfachen theologischen Erbe in Beziehung stehen. Ein Kapitel über die Theologie der ETG zwischen 1950 und 1984 kann aber nicht über dieHerausforderung seitens pfingstlerisch-charismatischer Einflüsseschweigen. Obschon die ETG selber einer erwecklichen Tradition entstammen und das Wirken des Geistes über allem Menschlichen immer betonten, wurden sie durch pfingstlerisch-charismatische Einflüsse mancherorts arg verunsichert. In den 60er und 70er Jahren wurden einzelne Gemeinden derart unvorbereitet mit charismatischen Einflüssen konfrontiert, dass es zu äusserst schwierigen Situationen kam. Die oft schwärmerisch ungesunde Haltung charismatischer Geschwister einerseits und nicht selten auch die Überforderung der Gemeindeleitungen andererseits, führte zu Trennungen und schmerzlichen Wunden. In manchen ETG hat sich aus diesen Erfahrungen heraus gegenüber pfingstlerisch-charismatischen Tendenzen eine erhebliche Skepsis entwickelt. Wie in allen traditionellen Kirchen und Gemeinden hat das Auftreten der pfingstlerisch-charismatischen Bewegungen jedoch auch in den ETG dazu geführt, dass der Lehre vom Heiligen Geist und von den Gnadengaben erneut Beachtung geschenkt wurde.
All diese Beobachtungen zeigen, dass der Aufbruch der vergangenen Jahrzehnte die ETG auch in manche Krise und neue Herausforderungen hineingeführt hat.
Eine gewisse Gesetzlichkeit wurde überwunden, die Aufgabe, verbindliche, biblisch begründete ethische Leitlinien zu finden, muss ganz neu angegangen werden.
Aus der Isolation hinaus haben die ETG zum Kontakt mit anderen Gemeinden und Kirchen gefunden, müssen nun aber in der Vielfalt von theologischen Möglichkeiten erst noch ihre eigene Identität neu definieren.
Der missionarische Aufbruch hat die familiäre Zusammengehörigkeit der ETG aufgelöst, sie stehen nun aber vor der Herausforderung, eine neue Basis der Zusammengehörigkeit zu finden.
Es gehört zu den Aufgaben der kommenden Jahre, sich diesen, und noch anderen Herausforderungen zu stellen.
4. Theologische Identität heute (ab 1985)
Mit der Gründung des Bundes (1985) sind die ETG (zumindest die im Bund integrierten Gemeinden der Schweiz, Deutschlands, Frankreichs und Österreichs) in eine Phase der Konsolidierung getreten. Das kann auch für die theologische Entwicklung gesagt werden.
Unter der Leitung des Bundes werden heute Ausbildung und theologisches Arbeiten gezielt gefördert. Von der Kommission für Weiterbildung wird ein breites Spektrum von Schulungen und Kursen angeboten. Insbesondere die Ausbildung der Laienpediger (Lehrbrüder) hat grosse Bedeutung gewonnen. Durch eine eigene, berufsbegleitende Gemeindebibelschulewerden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gezielt auf den Dienst in ETG ausgerüstet.
Unter der Leitung des Bundes werden auch gezielt theologische Fragen angepackt. Verschiedene Arbeitsgruppen werden beauftragt, Stellungnahmen zu theologischen und gemeindepraktischen Themen zu erarbeiten und im Auftrag des Bundes zu publizieren.
Anfangs der 90er Jahre wurde das Projekt einer Bekenntnisformulierung in Angriff genommen. Das ist das erste Mal, dass die ETG als Gemeindeverband an einem sorgfältig formulierten gemeinsamen Bekenntnis arbeiten. Das Bekenntnis wurde 1993 von der Ältestenversammlung verabschiedet und publiziert. Es will bewusst sowohl dem theologischen Erbe, wie auch dem Aufbruch Rechnung tragen. Es ist ein evangelisch-erweckliches Bekenntnis (z.B. Bibeltreue, Christus, Bekehrung und Glaube, Mission), das sich aber auch entschieden zur täuferisch-freikirchlichen Herkunft bekennt (Gemeindeverständnis, Ethik, Taufe und Abendmahl). Das Bekenntnis soll den Gemeinden in den kommenden Jahren als theologische Leitlinie helfen, ihre Identität als evangelisch-erweckliche Freikirche mit täuferischer Prägung zu stärken.
1. Einsetzung der ersten Bundesleitung (1985)
Der Bund ETG hat sich 1984 (Einsetzung der ersten Bundesleitung) resp. 1985 (Gründungsversammlung) aus dem losen Netzwerk der Evangelischen Täufergemeinden in Westeuropa (Schweiz, Deutschland, Frankreich, Österreich, Schweden) gebildet. Gemäß den ersten Statuten durften die Gemeinden in den ersten fünf Jahren nicht austreten. Es war aber schon damals klar, dass verschiede Gemeinden, welche durch osteuropäische Geschwister (Jugoslawien, Ungarn, Rumänien) geprägt sind, keinen Bund wollten und deshalb auch nie einen Beitrag an den Bund leisteten.
Der Bereinigungsprozess wurde bis 2003 abgeschlossen. Die französischsprachigen Gemeinden suchten Anschluss an Gemeindeverbände in ihrer Sprachregion, einzig die französischsprachige Gemeinde Chaindon (Berner Jura) verblieb im Bund. Zudem mussten verschiedene kleinere Gemeinden (1997 Schaffhausen, 2001 Wolhusen, 2003 Rothrist und Kolbermoor, 2009 Uster und 2013 Karlsruhe-Durlach) aufgeben. Im 2020 fusionierte die Gemeinde Stäfa mit der Chrischona Stäfa, die neue Gemeinde gehört zum Chrischona-Verband. Die Fusion wurde nötig, weil die Jugendarbeit seit Jahren (Jahrzehnten) gemeinsam stattfand und eine Trennung für Teilnehmer/innen im Erwachsenenalter kaum mehr durchführbar war.
2. Wechselnde Geschichte verschiedener Gemeinden
Eine etwas spezielle Geschichte ist die der Gemeinde Steinen / Lörrach. Die Gemeinde Basel, welche ja an der Grenze zu Deutschland liegt, hatte schon lange eine gewisse Anzahl Mitglieder aus dem nahen Wiesental (Deutschland). Ein missionarisch veranlagter Prediger und Unternehmer stellte ein Landstück für einen Kirchenneubau zur Verfügung. So entstand Ende der 80er Jahre die Gemeinde Steinen. Wegen einer theologischen Meinungsverschiedenheit trat die Gemeinde rund 10 Jahre nach dem Eintritt in den Bund wieder aus. Eine Anzahl Mitglieder aus Steinen war mit dem Austritt nicht einverstanden und gründet in Lörrach eine neue Gemeinde. Diese Gemeinde konnte aber kaum neue Mitglieder gewinnen und musste nach wenigen Jahren wieder aufgeben.
Im gleichen Zeitraum schlossen sich drei Gemeinden dem Bund an:
- Scheppach – eine Gründung durch die Gemeinden Neuhütten
- Sennhütte (Hombrechtikon) – die Gemeinde wurde in den 80er-Jahren maßgeblich durch Personen aus dem Bund ETG gegründet.
- Prüm (Eifel) – eine Gründung durch die Kontaktmission zusammen mit einem ETG-Missionar.
Damit besteht der Bund ETG im Jahr 2021 aus 18 Gemeinden in der Schweiz, 7 Gemeinden in Baden-Württemberg und 1 Gemeinde in Rheinland-Pfalz. Zudem bestehen zur Gemeinde in Hallein-Rif (Österreich, Nähe Salzburg) rege Kontakte. Ein Beitritt zum Bund stand bisher nicht zur Debatte, weil der räumliche Abstand zur nächsten ETG-Gemeinde relativ groß ist.
Folgende Trends sind in der Neuzeit festzustellen:
- Die ETG-Gemeinden in den größeren Städten (Zürich, Bern, Basel) waren während Jahrzehnten, nicht zuletzt wegen ihrer Größe, prägend für den Bund. Wie die meisten ETG-Gemeinden hatten sie einen großen geografischen Einzugsbereich. Viele Mitglieder fuhren Sonntag für Sonntag viele Kilometer in ihre Gemeinde. Der Trend hin zu Orts- oder Quartiergemeinden hat an den Grundfesten dieser Gemeinden gerüttelt. Sie verkleinerten sich drastisch und mussten sich der neuen Zeit anpassen.
- Gleichzeitig haben etliche Gemeinden auf dem Land (Neuhütten, Überlingen, Erlen, Diessbach, Pfäffikon) Mitglieder gewonnen und die Stadtgemeinden bezüglich Mitgliederanzahl überholt. Zudem haben diese Gemeinden prägende Rollen im Bund übernommen.
3. Einsetzung erster Pastoren
- In den 80er-Jahren des 20. Jh. haben die ersten Gemeinden Pastoren angestellt. Heute haben fast alle Gemeinden mit 50 und mehr Mitgliedern zumindest eine Person in Teilzeitanstellung, einige größere Gemeinden haben mehrere Personen angestellt. Die Pastoren/Pastorinnen usw. kommen je ungefähr zu Hälfte aus der ETG und aus anderen Gemeindeverbänden. Etliche junge Erwachsene aus der ETG lassen sich in theologischen Ausbildungsstätten ausbilden, fast alle nebenberuflich (Aarau, IGW, Ditzingen, ISTL usw.).
- Eine parallele Entwicklung hat auch die Bundesleitung erlebt. Von 1988 bis 2008 hatte die Bundesleitung einen vollzeitlichen theologischen Mitarbeiter: Peter Marti. Seit seiner Pensionierung wurden wo möglich Pastoren aus den Gemeinden in die Bundesleitung berufen und teilzeitlich angestellt. Die theologische Kompetenz hat sich damit in der Bundesleitung konzentriert, zu Zeiten von Peter Marti gab es eine Kommission, welche theologische Fragen diskutiert und Konferenzen vorbereitet hat.
- Die Gemeinden haben sich in den Jahrzehnten seit der Gründung des Bundes grundlegend verändert. Generell sich die ETG-Gemeinden dem Durchschnitt einer Freikirche in der Schweiz oder Süddeutschland angenähert. Am deutlichsten ist dies am Liedgut festzumachen. Der Lobpreis hat an Qualität gewonnen, dürfte aber mit anderen Freikirchen austauschbar sein. Das eigene, vierstimmige Liedgut ist praktisch verschwunden.
- Etliche ETG-Gemeinden waren sogenannte „Clan-Kirchen“, d.h. eine Handvoll Familien haben jeweils eine Gemeinde bestimmt. Oft wurden die Gemeinden auch von diesen Familien maßgeblich finanziert.
- In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die ETG etliche Unternehmer hervorgebracht, einige Firmen kennt fast jeder in der Schweiz (Kambly, Baer Käse, Geistlich), andere sind in Insiderkreisen oder regional keine Unbekannten (Büchi Glas Uster, Brütsch-Rüegger, HAWA, verschiedene Schreinereien & Großbauern). Etliche Firmen sind auch von der Bildfläche verschwunden (Handar, …). Solche Clan-Kirchen sind heute kaum mehr zu finden.
- Anfangs 21. Jahrhundert ist der Bund ETG dem VFG – dem Freikirchenverband (Freikirchen.ch) in der Schweiz beigetreten. In der Neuzeit heben sich etliche Mitgliedskirchen im Bund ETG durch ihre Namensgebung vom Bund ab, so die Kirche Spalen (ETG Basel), Die ARCHE (ETG Neuhütten), Kirche Neuhof (ETG Pfäffikon), Kirche Lachern (ETG Schlieren) usw.
- Eine weitere Folge der neusten Entwicklung war die Gründung eines eigenen Vereins der Gemeinden in Deutschland (Verein Evangelische Täufergemeinden Deutschland e.V.). Dank der Eigenständigkeit konnte dieser Verein der ACK Baden-Württemberg beitreten (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen). In Deutschland ist eine solche Mitgliedschaft sinnvoll, da etliche soziale Einrichtungen (Kindergärten, Pflegeheime usw.) von kirchlichen Trägerschaften geführt werden und die Mitarbeit in solchen Institutionen die Mitgliedschaft in einer Kirche, welche der ACK angeschlossen ist, voraussetzt.
- Die ETG-Gemeinden und -Kirchen wollen als Alleinstellungsmerkmal täuferische Eigenheiten pflegen, wie zum Beispiel das gemeinsame Mittagessen nach dem Sonntagsgottesdienst. An der Taufe von jungen Erwachsenen und Erwachsenen wird festgehalten, heute oft an einem See, Fluss oder Teich. Der Prediger-Austausch zwischen den Gemeinden wird vor allem in den jeweiligen Regionen gepflegt. Ebenso treffen sich die Gemeindeleitungen zwei bis dreimal pro Jahr in den vier Regionen des Bundes.
- Die von der Bundesleitung vorbereiteten Tagungen der Gemeindeleitungen wurden lange Zeit zur Psychohygiene und für Diskussion von Themen aus dem Gemeindealltag genutzt. Im 21. Jahrhundert hat sich durchgesetzt, dass die Bundesleitung die Gemeindeleitungen unterstützt, die Gemeinden in die Zukunft zu führen. Die Impulstagungen sind entsprechend ausgerichtet.
Bis heute und auch in Zukunft schreibt Gott Geschichte mit dem Bund ETG. Die Menschen, die sich zu dessen Kirchen/Gemeinden zählen, sind „bodenständig“ und vom Himmel inspiriert.